Italienische Wissenschaftler publizierten einen ausführlichen Fachartikel über die biochemischen, ernährungswissenschaftlichen und medizinischen Aspekte der Aminosäure Tryptophan.
Aus diesem Artikel werden im Folgenden einige Aspekte vorgestellt: Prinzipiell ist die Tryptophanbildung ein energetisch aufwendiger Prozess und erfordert die Expression verschiedener Enzyme. Das könnte ein Grund dafür sein, dass L-Tryptophan in der Nahrungskette eher in geringen Konzentrationen vorkommt. Außerdem ist eine strenge Regulierung der Tryptophanverfügbarkeit in den Zellen notwendig.
Tryptophan hat einen Anteil von ein bis zwei Prozent in Proteinen, andere Aminosäuren durchschnittlich fünf Prozent. Am häufigsten kommt in Proteinen Leucin vor, mit einem Anteil von neun Prozent. Zusammen mit Cystein ist Tryptophan die Aminosäure, die in der menschlichen Ernährung nur in kleinen Mengen vorhanden ist. Nahrungsmittel mit höherem Tryptophangehalt sind z.B. Milchkäse, Milchprodukte und Eier. Bei den pflanzlichen Nahrungsmitteln sind es Kartoffeln, Sojabohnen und andere Hülsenfrüchte sowie Nüsse, wie Walnüsse, Haselnüsse und Cashewkerne. In Getreideprodukten und Mais kommt Tryptophan eher in geringen Konzentrationen vor.
Die Plasmaspiegel von Tryptophan unterliegen regulatorischen Mechanismen, die mit denen anderer Aminosäuren vergleichbar sind. Der endogene Protein-Turnover wird durch verschiedene Hormone reguliert. Insulin blockiert den Proteinabbau und fördert die Proteinsynthese in den Geweben, vor allem in der Muskulatur. Glucagon reduziert die Konzentrationen der Aminosäuren im Plasma, wie z.B. von Alanin, Glycin und Prolin, die für die Bildung von Glucose in der Leber verwendet werden. Cortisol erhöht die Konzentrationen von Aminosäuren im Plasma, vor allen Dingen durch Förderung der Proteolyse und Ausschleusung aus der Muskulatur. Die Konzentrationen der essentiellen Aminosäuren sind von ihrem Gehalt in den Nahrungsmitteln stärker abhängig als die der nicht essentiellen Aminosäuren.
Die Tryptophanaufnahme über die Blut-Hirn-Schranke wurde intensiv erforscht. Die Konzentrationen der langkettigen neutralen Aminosäuren konkurrieren miteinander um das gleiche Transportsystem in die Blut-Hirn-Schranke unter Kontrolle von Insulin. Dies erklärt, warum eine proteinreiche Mahlzeit zwar den Tryptophanspiegel im Plasma erhöht, aber nicht die Tryptophanaufnahme ins Gehirn, die durch eine kohlenhydratreiche Mahlzeit verbessert wird. Proteinreiche Nahrungsmittel enthalten zwar unter Umständen relativ viel Tryptophan, aber trotzdem viel weniger im Vergleich zu den anderen langkettigen Aminosäuren.
Es gibt aber auch Proteine, die ein hohes Verhältnis Tryptophan zu langkettigen neutralen Aminosäuren enthalten, wie z.B. Alpha-Lactalbumin, das zu einer Erhöhung der Tryptophanaufnahme im Gehirn führt.
Eine Besonderheit ist, dass Tryptophan sehr lipophil ist und in wässrigen Lösungen bei physiologischem PH-Wert kaum löslich ist, so dass für den Tryptophantransport eine Bindung an Albumin notwendig ist. Tryptophan ist die einzige Aminosäure, die durch Albumin transportiert wird. Die Tryptophanpassage ins Gehirn wird durch das Verhältnis von freiem und albumingebundenem Tryptophan moduliert. Einen Einfluss hierauf haben z.B. eine intensive sportliche Aktivität, die Aktivierung des sympathischen Nervensystems, die Lipolyse und eine erhöhte Konzentration der freien Fettsäuren.
Der Tryptophanstoffwechsel kann in zwei große Richtungen aufgeteilt werden. Der eine Stoffwechselweg, der etwa drei bis zehn Prozent des Tryptophanmetabolismus ausmacht, ist die Bildung von chemischen Botenstoffen, wie Serotonin, Melatonin und N-Acetylserotonin. Aus Tryptophan entstehen auch in kleinen Mengen so genannte Spurenamine wie Tryptamin und Dimethyltryptamin, deren physiologische Bedeutung noch nicht genau bekannt ist. Allerdings wurden im Gehirn spezielle Rezeptoren entdeckt, die für die Erkennung dieser Spurenamine spezialisiert sind. Diese Rezeptoren sind im Gehirn weit verbreitet, hauptsächlich im Bereich des Mandelkerns. Es ist davon auszugehen, dass die Spurenamine an der Regulation der Monoamintransmission beteiligt sind.
Der weitaus größte Teil des Tryptophans wird aber nicht zu Monoaminen verstoffwechselt, sondern unterliegt dem Kynurenin-Weg, der u.a. auch zur Bildung von NAD verwendet werden kann.
Die Biotransformation von Tryptophan wird sehr fein durch endogene und exogene Faktoren reguliert. Eine Veränderung der Tryptophanaufnahme durch die Nahrung betrifft vor allem das Gehirn und den Verdauungsapparat. Durch eine Manipulation der Tryptophanaufnahme kann z.B. nachgewiesen werden, dass Patienten mit Depressionen oder anderen psychischen Symptomen auf einen Tryptophanmangel besonders empfindlich reagieren. Depressive Patienten sind also im Vergleich zu gesunden Menschen weniger in der Lage, Veränderungen der Tryptophanaufnahme zu kompensieren. Niedrige Tryptophanplasmaspiegel werden z.B. auch bei der Fructosemalabsorption beobachtet, was eine Verbindung zwischen Darmdysfunktion, Tryptophanverfügbarkeit und Stimmung herstellt.
Die Hauptabbauenzyme des Tryptophans sind TDO und IDO. TDO wird z.B. durch anhaltenden Stress aktiviert. IDO kann durch Zytokine, Chemokine und Entzündungsmarker aktiviert werden. Die Rolle der Enzyme des Tryptophanabbaus besteht darin, exzessive Gewebeschäden zu verhindern und ein tryptophanarmes Millieu zu schaffen, als eine Maßnahme zur Abwehr von Erregern.
Referenz:
Lionella Palego, Laura Betti et al.: Tryptophan Biochemistry: Structural, Nutritional, Metabolic, and Medical Aspects in Humans; Journal of Amino Acids, Volume 2016 (2016), Article ID 8952520, 13 pages