Allergien und Mikronährstoffe

wiese-avarooa-fotoliaNach epidemiologischen Untersuchungen leiden 25 – 30 % der Bevölkerung an allergischen Beschwerden. Die Prävalenz für eine Rhinitis allergica liegt bei 10 – 15 %, für ein allergisches Asthma bronchiale bei 5 – 10%.

Im Wesentlichen werden heute drei Hauptgruppen von Ursachen für das Entstehen von Allergien verantwortlich gemacht:

  1. eine genetische Disposition
  2. eine frühe Allergenexposition, z.B. Säuglingsernährung mit Kuhmilch
  3. eine Adjuvansexposition, z.B. Luftschadstoffe wie Ozon, Dieselruß, SO2

Einen protektiven Effekt haben virale und bakterielle Atemwegsinfektionen im Kindesalter. Eine allergische Reaktionsbereitschaft wird durch eine unzureichende Versorgung mit Mikronährstoffen begünstigt.

Einige Mikronährstoffe beeinflussen grundlegend die TH1/TH2 –Polarisierung des Immunsystems. T-Helferzellen vom Typ 1 spielen eine dominierende Rolle bei der Infektabwehr aller Erregertypen bis auf die Helminthen.

Die Effektorzellen der TH1-Lymphozyten sind die neutrophilen Granulozyten und Monozyten. Die Leitzytokine sind Interferon gamma, Interleukin 2 und der Tumornekrosefaktor beta.

Die TH2-Immunzellen sind von essentieller Bedeutung für die Abwehr von Helminthen und für die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft. Die Leitzytokine der TH2-Zellen sind die Interleukine 4, 5, 6, 9, 10,13. Die Effektorzellen sind eosinophile und basophile Granulozyten und Mastzellen.

Der Typ des Antigens sowie die Antigendosis spielen offensichtlich eine wichtige Rolle für die Polarisierung der T-Zellen. Während die systemische Exposition mit relativ hohen Antigendosen eher eine TH1-Immundominanz fördert, führt eine mucosale Antigenexposition mit geringen Dosen eher zu einer TH2-Immundominanz.

 

Cystein/ Glutathion

Eine fundamentale Bedeutung für die Polarisierung des Immunsystems und damit für die allergische Reaktionsbereitschaft hat das Redoxpotential der Immunzellen. Dieses wird hauptsächlich über das Verhältnis von reduziertem zu oxidiertem Glutathion bestimmt. Zahlreiche Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Verfügbarkeit von Thiolverbindungen maßgeblich das Cytokinmuster und die Steuerung des Immunsystems beeinflusst. Ein GSH-Mangel führt zu einer TH2-Immundominanz.

N-Acetyl-Cystein (NAC) ist eine Vorläufersubstanz für Cystein und Glutathion und wird häufig als Wirksubstanz zur Anhebung der cellulären Thiolkonzentrationen verwendet. Es zeigte sich, dass NAC die Expression von Interleukin 4 vermindert. Interleukin 4 ist das wichtigste proallergische Cytokin. Außerdem vermindert NAC die Expression von NF-Kappa-B in dentritischen Zellen. NF-Kappa-B ist ein wesentlicher Steuerungsfaktor für die Bildung von Entzündungsmediatoren. Die nachgewiesenen Effekte des NAC sind nur teilweise auf eine Anhebung des zellulären Glutathionspiegels zurückzuführen. Das Cystein hat auch eigenständige Effekte auf die Immunzellen.

 

Methionin

Methionin ist eine essentielle schwefelhaltige Aminosäure, aus der bei normalen Stoffwechselverhältnissen Cystein gebildet werden kann. Methionin ist ein Methylgruppendonator und kann den Histaminabbau zu N-Methyl-Histidin beschleunigen. Histamin ist bekanntlich einer der wichtigsten Mediatoren bei allergischen Erkrankungen.

 

Taurin

Taurin ist ein Metabolit des Cysteins und hat im Stoffwechsel vielfältige Funktionen wie Osmoregulation, Neuromodulation, antioxidative Schutzwirkung, Bildung von Gallensäurenkonjugaten etc. Für das Immunsystem ist die Bedeutung des Taurins im Rahmen von entzündlichen Prozessen wichtig. Taurin reagiert mit der von den Granulozyten freigesetzten hypochlorigen Säure unter Bildung von Taurinchloramin. Durch diese Reaktion wird die Toxizität der hypochlorigen Säure vermindert. Taurinchloramin hemmt die Freisetzung von Stickstoffmonoxid und TNF-alpha bei Entzündungen. Taurin wirkt protektiv gegen entzündliche Veränderungen der Lunge bei Ozon und anderen Umweltgiften.

 

Glutamin

Glutamin ist die Aminosäure mit der höchsten Konzentration im Blutplasma. Zu den Stoffwechselfunktionen des Glutamin gehört die Regulation der Muskelproteinsynthese und des Säuren-Basen-Gleichgewichts in den Nieren. Es ist Ausgangssubstanz für die Nukleotidsynthese und wird von den Immunzellen und Enterozyten als Energieträger verwertet. Niedrige Glutaminkonzentrationen sind mit einem Immundefizit und einer erhöhter Infektanfälligkeit verbunden. Bei schweren Infekten und Enzündungen kommt es häufig zu einer Glutaminverarmung des Organismus. Ein Glutaminmangel führt zu einer vermehrten Durchlässigkeit der Darmwand (leaky­gut-syndrome), wodurch auch vermehrt potentiell allergene Nahrungsbestandteile in die Blutbahn gelangen können.

 

Arginin

Arginin spielt eine wichtige Rolle für die Funktionsfähigkeit des Immunsystems. Stickmonoxid (NO) ist ein gasförmiger Botenstoff, der aus Arginin in den Makrophagen gebildet wird. NO ist essentiell für die Bekämpfung intrazellulärer Erreger wie Viren und Mykoplasmen. TH1-Zellen aktivieren die induzierbare NO-Synthase und verstärken somit die Bildung von NO. TH2-Zellen stimulieren das Enzym Arginase, das Arginin zu Ornithin abbaut. Eine ausgeprägte TH2-Immundominanz kann zu einer verminderten Argininverfügbarkeit führen, da Arginin vermehrt zu Ornithin und Polyaminen abgebaut wird. Gleichzeitig ist die Bildung von NO sowie die Lymphozytenproliferation stark reduziert, wodurch die Bekämpfung vor allem intrazellulärer Erreger stark beeinträchtigt ist.

 

Vitamin C

Vitamin C ist das wichtigste wasserlösliche Antioxidans und an der Entgiftung immuntoxischer Schadstoffe beteiligt. Es senkt die Histaminblutspiegel. Asthmatiker haben häufig erniedrigte Vitamin-C-Spiegel in Plasma und Leukozyten. Oxidiertes Glutathion (GSSG) kann durch Vitamin C wieder regeneriert werden.

 

Vitamin E

Vitamn E ist das wichtigste lipidlösliche Antioxidans. Es wirkt antiinflammatorisch durch Hemmung einiger Enzyme der Arachidonsäure-Kaskade. Dadurch werden weniger PGE2 und LTB4 gebildet. Auch die Freisetzung proallergischer Zytokine wie Interleukin 4 und 6 wird vermindert.

 

Vitamin A

Ein Vitamin-A-Defizit erhöht die Infektanfälligkeit der Atemwege. Vitamin A ist wichtig für die Integrität der Schleimhäute und für die Immunkompetenz.

 

Vitamin D3

Es gibt zunehmend Hinweise aus Studien, dass pharmakologische Dosierungen von Vitamin D3 Autoimmunprozesse unterdrücken können. Grundsätzlich ist Vitamin D3 ein „Ordnungsfaktor“ des Immunsystems.

 

Calcium/ Magnesium

Magnesium wirkt als Mastzellstabilisator, die Ausschüttung der Mastzellmediatoren erfolgt erst bei stärkeren allergenen Reizen. Durch Calcium-Supplemente lässt sich die Freisetzung von Histamin vermindern.

 

Selen

Bei Asthmatikern wurden verminderte Selenkonzentrationen festgestellt. Durch eine mehrwöchige Selensupplementierung konnte bei kortikoidabhängigen Asthmatikern eine signifikante Reduktion der erforderlichen Glukokortikoid-Dosis erreicht werden.

 

Zink

Zink hat antiallergische und entzündungshemmende Eigenschaften. Ein Zinkmangel begünstigt das Auftreten allergischer Erkrankungen, da bei niedrigen Zinkkonzentrationen die Bildung der Typ1-Cytokine Interleukin 2 und Interferon- gamma vermindert ist. Die Produktion von Typ 2-Cytokinen wie Interleukin 4, 6 und 10 ist durch einen Zinkmangel nicht beeinträchtigt.

 

Fazit:
Mehrere Mikronährstoffe haben das therapeutische Potential, die allergische Reaktionsbereitschaft und allergische Symptome günstig zu beinflussen. Die Orthomolekulare Medizin ist eine sinnvolle und logisch nachvollziehbare Basistherapie bei allen allergischen Erkrankungen, weil einige Mikronährstoffe grundlegend die allergiespezifischen Fehlsteuerungen des Immunsystems beeinflussend verändern können.

Eine Therapie mit Mikronährstoffen bewährt sich auch in der klinischen Praxis. Bei einer Patientin mit schwerem Asthma bronchiale und multiplen Nahrungsmittelallergien konnte durch eine Supplementierung mit Glutamin, Taurin, Cystein und Glycin eine deutliche Besserung der Symptomatik erreicht werden.

Nach unserer Erfahrung ist eine orthomolekulare Labordiagnostik eine unbedingt notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie mit Mikronährstoffen. Besonders bei der Therapie mit Aminosäuren sollte eine Supplementierung nur auf der Basis vorhandener Laborwerte erfolgen und nicht aufgrund theoretisch biochemischer Überlegungen.

Da Allergien in den Industriestaaten stark zunehmen, wird die Therapie mit Mikronährstoffen zukünftig sicherlich an Bedeutung gewinnen.
 
 
 
Veröffentlicht:
Der Heilpraktiker & Volksheilkunde, Ausgabe 3/ 2004; Autor: Dr. med. Hans-Günter Kugler
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