Wie Mikronährstoffe Hirnleistung und psychische Befindlichkeit beeinflussen
Darum geht es:
Ein Mangel an Mikronährstoffen beeinflusst das Nervensystem auf vielfältige Art und Weise. So kann ein Mangel an bestimmten Aminosäuren den Neurotransmitterstoffwechsel stören, B-Vitamine sind am Energiestoffwechsel beteiligt u.v.m. Ein Mangel an Mikronährstoffen kann, je nach Ausmaß, psychische Störungen und neurologische Erkrankungn nach sich ziehen. Hier erfahren Sie die Hintergründe, welche Mikronährstoffe für die Psyche und für den Hirnstoffwechsel relevant sind.
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Allgemein
Mikronährstoffe d. h. Vitamine, Vitaminoide, Spurenelemente, Mineralstoffe, Aminosäuren und Fettsäuren haben eine zentrale Bedeutung für die Hirnleistungsfähigkeit und für die psychische Befindlichkeit. Das Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen, wobei jede Nervenzelle mit etwa 1000 anderen Nervenzellen verbunden ist. Daraus ergibt sich die gewaltige Zahl von 100 Millionen Synapsen. Für ein gut funktionierendes und ausgewogenes Nervensystem ist die ausreichende Verfügbarkeit der erforderlichen Cofaktoren unabdingbar.
Mikronährstoffe sind aus verschiedenen Gründen relevant für das Nervensystem. Sie fungieren selbst als Botenstoffe (Neurotransmitter) oder sind an der Bildung von Neurotransmittern beteiligt. Einige Mikronährstoffe sind Baumaterial für die Nervenzellen, verschiedene Mikronährstoffe sind essenziell für den Energiestoffwechsel der Nervenzellen. Antioxidative Mikronährstoffe werden benötigt für den Schutz der Nervenzellen gegen die schädlichen Effekte freier Radikale. Darüber hinaus sind Mikronährstoffe auch an der Nervenreizleitung beteiligt.
Mikronährstoffmängel können in Abhängigkeit vom Ausmaß an der Entstehung vieler neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen beteiligt sein. Bereits psychische Befindlichkeitsstörungen, wie zum Beispiel Stimmungsschwankungen oder eine nachlassende kognitive Leistungsfähigkeit, sollten immer Anlass sein, den Mikronährstoff-Status zu überprüfen. Oftmals kann durch eine gezielte Supplementierung der fehlenden Mikronährstoffe eine Besserung der psychischen Befindlichkeit und kognitiven Leistungsfähigkeit erreicht werden. Mikronährstoffe können in vielen Fällen zusätzlich zu einer medikamentösen Therapie eingesetzt werden und dann die Wirksamkeit der Medikamente verbessern oder Nebenwirkungen reduzieren. Im Folgenden werden wesentliche Funktionen der Mikronährstoffe im Nervenstoffwechsel vorgestellt.
Aminosäuren
Arginin ist Ausgangssubstanz für die Bildung des Signalgases Stickstoffmonoxid (NO). NO spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Gefäßtonus und ist auch an der Bildung des Gedächtnisses beteiligt.
Cystein ist eine schwefelhaltige Aminosäure und ist am Aufbau der Myelinscheiden rund um die Neuronen beteiligt. Cystein hat auch eine große Bedeutung für den antioxidativen Schutz der Nervenzellen. Oxidativer Stress im Gehirn ist ein wichtiger Faktor für die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen wie Morbus Parkinson und Morbus Alzheimer. Auch bei Depressionen, Zwangserkrankungen und bei vielen anderen psychiatrischen Störungen ist oftmals oxidativer Stress nachweisbar. Cystein ist an der Glutathionsynthese beteiligt. Für die Entgiftung von Fremdstoffen, zum Beispiel von Schwermetallen, ist eine gute Versorgung mit Cystein und Glutathion erforderlich.
Glycin ist ein dämpfender Botenstoff (inhibitorischer Neurotransmitter) im Stammhirn und im Rückenmark. Glycin kann zum Beispiel bei muskulären Verspannungen von Nutzen sein. Glycin ist aber auch an der Gedächtnisbildung beteiligt.
Glutaminsäure ist der wichtigste erregende Botenstoff (exzitatorischer Neurotransmitter) und auch Ausgangssubstanz für die Bildung von GABA, dem bedeutendsten inhibitorischen Neurotransmitter.
Serin ist die Ausgangssubstanz für die Bildung von Cholin, Acetylcholin und Phospholipiden. Die Phospholipide sind wesentliche Bausteine der Nervenzellen. Acetylcholin ist ein Neurotransmitter, der eine zentrale Bedeutung für das Gedächtnis und für die Aufmerksamkeit hat. Ein Acetylcholin-Mangel ist häufig bei der Alzheimererkrankung nachweisbar. Acetylcholin ist auch der wichtigste Neurotransmitter im vegetativen Nervensystem.
Taurin hat sehr vielfältige Stoffwechselfunktionen, zum Beispiel antioxidative Wirkung, Schutz der Mitochondrien und besitzt auch entzündungshemmende Eigenschaften. Taurin hat einen stabilisierenden Effekt auf Nervenzellenmembranen und hat dadurch eine oftmals ausgleichende und beruhigende Wirkung im Nervenstoffwechsel.
Tyrosin ist die Vorläufersubstanz für die Bildung von Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin (Katecholamine). Tyrosin kann wiederum im Stoffwechsel aus Phenylalanin hergestellt werden. Eine Supplementierung von Tyrosin führt nicht zwangsläufig dazu, dass Dopamin und Noradrenalin im Gehirn vermehrt gebildet wird. Relativ gut belegt ist, dass Tyrosin bei starkem körperlichem Stress die Hirnleistungsfähigkeit stabilisieren kann. Eine antidepressive Wirkung von Tyrosin ist eher fraglich.
Tryptophan ist die Ausgangssubstanz für die Synthese von Serotonin und Melatonin. Serotonin wird bekanntlich als Substanz angesehen, die für eine gute Stimmung verantwortlich ist. Durch eine Supplementierung von Tryptophan kann die Serotonin-Bildung im Gehirn erhöht werden. Dies ist aber keine Garantie dafür, dass Tryptophan Depressionen bessert. Bei Depressionen liegen oftmals komplexe biochemische Veränderungen vor, und ein Tryptophanmangel ist nur ein möglicher therapeutischer Ansatzpunkt.
Vitamine
Vitamin B1 spielt eine zentrale Rolle im Energiestoffwechsel der Nervenzellen, da die Nervenzellen auf Glukose als Energieträger angewiesen sind. Vitamin B1 ist auch beteiligt an der Übermittlung von Nervenimpulsen und ist am Stoffwechsel von Neurotransmittern beteiligt. Eine Supplementierung von Vitamin B1 ist nicht nur vorteilhaft bei psychischen Störungen, Vitamin B1 hat sich auch in der Behandlung von Neuralgien und Neuropathien bewährt. Vitamin B1 hat höher dosiert gewisse schmerzlindernde Eigenschaften, die man sich bei verschiedenen Schmerzzuständen zunutze machen kann. Der Organismus verfügte nur über geringe Vitamin-B1-Speicher, so dass bei einer kohlenhydratbetonten Ernährung sehr schnell Mangelerscheinungen auftreten können.
Vitamin B2 ist fundametal im Energiestoffwechsel. Aus Vitamin B2 werden die Flavoenzymen (FAD, FMN) hergestellt, die wichtig für den Energiestoffwechsel sind. Ein Vitamin-B2-Mangel ist häufig mit psychischen Befindlichkeitsstörungen assoziiert. Die Migräne und der Morbus Parkinson sind Erkrankungen, bei denen Vitamin B2 therapeutisch eingesetzt werden kann.
Vitamin B3 ist die Ausgangssubstanz für die Bildung der Coenzyme NAD /NADH und NADP/NADPH und daher stark an der Energieproduktion beteiligt. Ein Vitamin-B3-Mangel kann zu verschiedenen psychischen Störungen führen.
Vitamin B6 ist das wichtigste Vitamin im Protein- und Aminosäuren-Stoffwechsel. Vitamin B6 ist an der Bildung verschiedener Neurotransmitter beteiligt. Ein Vitamin-B6-Mangel kann besonders bei älteren Menschen die Hirnleistungsfähigkeit beeinträchtigen. Auch bei Nervenentzündungen und Neuralgien kann ein Vitamin-B6-Mangel zugrunde liegen.
Vitamin B12 wird für die Synthese von Myelin benötigt. Myelin ist eine weißliche Schutzschicht aus Proteinen und Fetten, die die Ausläufer der Nervenzellen umgibt. Die Myelinumhüllung ist nicht nur wichtig für die Reizweiterleitung im peripheren Nervensystem, sondern auch für die Funktionsfähigkeit des Gehirns. Ältere Menschen haben oftmals einen Vitamin-B12-Mangel, der das Risiko für Depressionen erhöht. Eine schlechte Vitamin-B12-Versorgung führt auch zu Symptomen wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Konzentration und Gedächtnisstörungen.
Der Stoffwechsel der Folsäure ist es sehr eng mit dem von Vitamin B12 verbunden. Sowohl Folsäure als auch Vitamin B12 sind für den Homocysteinabbau erforderlich. Langfristig hohe Homocysteinblutspiegel sind als Risikofaktor für eine Hirnatrophie im Alter anzusehen. Erhöhte Homocysteinkonzentrationen begünstigen Depressionen, Gedächtnisstörungen und die Entwicklung von Demenzsymptomen. Ein Folsäuremangel in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Autismus beim Kind. Eine Folsäure-Supplementierung kann häufig auch die Wirksamkeit von Psychopharmaka verbessern.
Vitamin C ist ein wichtiges wasserlösliches Antioxidans und spielt auch eine erhebliche Rolle im Nervenstoffwechsel. Vitamin C ist an der Neurotransmittersynthese beteiligt. Eine Beeinträchtigung der Neurotransmitterbildung ist nicht selten mit Depressionen assoziiert. Vitamin C ist wesentlich zur Begrenzung von Schäden, die durch psychischen Stress entstehen. Psychische Befindlichkeitsstörungen können ein Hinweis auf eine unzureichende Vitamin-C-Versorgung sein. Vitamin C vermag auch die Eisenaufnahme im Darm zu verbessern, was sich günstig auf Stimmung und Hirnleistungsfähigkeit auswirkt. Möglicherweise kann Vitamin C zusammen mit Vitamin E die Erkrankungshäufigkeit für Morbus Alzheimer verringern.
Neben seinen zahlreichen anderen Funktionen ist Vitamin D auch von Bedeutung im Nervenstoffwechsel. Vitamin D ist erforderlich für den Erhalt der Hirnleistungsfähigkeit im Alter und kann möglicherweise das Voranschreiten neurodegenerativer Erkrankungen verlangsamen. Bei depressiven Patienten werden häufig niedrige Vitamin-D-Spiegel gemessen. Es ist bekannt, dass Vitamin D an der Regulierung der Serotonin-Synthese im Gehirn beteiligt ist. Es gibt Zusammenhänge zwischen dem Vitamin-D-Status und Autismus-Spektrum-Erkrankungen sowie ADHS.
Vitamin E ist ein wesentliches fettlösliches Antioxidans. Vitamin E vermag bei Risikopatienten zusammen mit Vitamin C die Erkrankungshäufigkeit vom Morbus Alzheimer zu reduzieren. Eventuell hat Vitamin E auch ein Nutzen bei Morbus Parkinson. Insgesamt ist die Datenlage zur Bedeutung von Vitamin E bei neurodegenerativen Erkrankungen aber eher schmal.
Es gibt erste Hinweise, dass ein Mangel an Vitamin K an der Entstehung des Morbus Alzheimer beteiligt ist.
Mineralstoffe und Spurenelemente
Magnesium hat sehr vielfältige Wirkungen im Stoffwechsel. Es gibt kaum ein Krankheitsbild, bei dem eine Magnesium-Supplementierung nicht in Betracht gezogen werden sollte. Magnesium hat einen Einfluss auf den Neurotransmitterhaushalt. Es hemmt zum Beispiel die Freisetzung der Neurotransmitter Adrenalin und Noradrenalin. Magnesium kann eine Übererregbarkeit der Nerven vermindern und wird deshalb zurecht als der Antistress-Mikronährstoff bezeichnet. Eine Supplementierung von Magnesium kann bei vielen psychiatrischen Erkrankungen sowie bei Konzentrations- und Gedächtnisstörungen von Nutzen sein. Weitere mögliche Anwendungsgebiete von Magnesium sind Epilepsien, Schlafstörungen, neurodegenerative Erkrankungen, Migräne etc.
Eisen ist notwendig für den Energiestoffwechsel der Nervenzellen, ist beteiligt an der Neurotransmittersynthese und ist erforderlich für die Hirnentwicklung. Wichtig: Ein Eisenmangel im Säuglingsalter kann die Hirnentwicklung beeinträchtigen und zu bleibenden kognitiven Defiziten führen! Eisen nicht nur erforderlich für die Sauerstoffversorgung, sondern auch für die Funktionsfähigkeit der Mitochondrien, der Kraftwerke der Zelle. Bei Erschöpfungszuständen, Energiemangel, Stimmungsschwankungen, Hirnleistungsstörungen und Müdigkeit sollte immer auch ein möglicher Eisenmangel in Betracht gezogen werden. Auch bei Verhaltensauffälligkeiten sowie einer ADHS-Symptomatik bei Kindern empfiehlt sich die Abklärung des Eisenstatus.
Zink ist wird benötigt für die Funktionsfähigkeit verschiedener Neurotransmittersysteme. Ein Zinkmangel kann zu einer Vielzahl von psychiatrischen Symptomen führen. Auch bei Autismus-, Morbus-Alzheimer- sowie Parkinson- Patienten wurde häufig eine niedriger Zink- Status nachgewiesen.
Selen ist Bestandteil verschiedener Enzyme des antioxidativen Schutzsystems und wird auch für den Metabolismus der Schilddrüsenhormone benötigt. Psychiatrische Erkrankungen gehen meist mit einem oxidativen Stress einher. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2022 kam zu dem Ergebnis, dass eine hohe Selenaufnahme einen schützenden Effekt gegen Wochenbettdepression haben könnte. Außerdem kann eine ergänzende Einnahme von Selen zu einer Verringerung depressiver Symptome beitragen.
Weitere Mikronährstoffe
Coenzym Q10 spielt eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel. Coenzym Q10 wird hauptsächlich bei der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen und bei der Migräne eingesetzt. Eine Q10- Supplementierung hat oftmals auch einen günstigen Effekt bei Depressionen.
Die Omega-3-Fettsäuren können Depressionen verbessern und schützen auch ältere Menschen vor einem Gedächtnisabbau. Weitere mögliche Anwendungsgebiete sind ADHS und Demenzerkrankungen.
Kommentar:
Eine gezielte Supplementierung fehlender Mikronährstoffe ist bei allen Erkrankungen, die mit verminderter Hirnleistungsfähigkeit oder schlechtere psychischer Befindlichkeit einhergehen, eine sinnvolle Basismaßnahme.
Referenzen:
Hugo Schurgast, Prof. Michael Zimmermann MD et al.: Burgerstein Handbuch Nährstoffe, Trias-Verlag, 14. Auflage
Hans Konrad Biesalski: Vitamine, Spurenelemente und Minerale; Thieme, 3. Auflage 2024