Darmerkrankungen und Wirkung von Mikronährstoffen

Darmerkrankungen kommen in der deutschen Bevölkerung relativ häufig vor. Das Reizdarmsyndrom gehört zu den häufigsten Gesundheitsstörungen überhaupt. Bis zu 16 Prozent der Frauen und acht Prozent der Männer in Deutschland sind davon betroffen, also rund sieben Mio. Menschen. Eine weitere wichtige Gruppe bilden die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), dazu zählen der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa. An diesen Erkrankungen leiden etwa 2,2 Mio. Menschen in Europa.

Bei den CED-Erkrankungen kommt es zu einer verstärkten Bildung und Freisetzung entzündungsfördernder Zytokine. Es sind auch vermehrt Stoffwechselprodukte der Arachidonsäure wie Prostaglandine und Leukotriene nachweisbar. Die Schädigung der Darmwand durch die Entzündungsprozesse hat zur Folge, dass bei Patienten mit CED sehr häufig Mangelzustände bei der Vitamin- und Mineralstoffversorgung auftreten, wovon bevorzugt die fettlöslichen Vitamine sowie Folsäure und Vitamin B12 betroffen sind.

Die Darmschleimhaut ist ein schnell proliferierendes Zellsystem und auf eine gute Versorgung mit allen erforderlichen Mikronährstoffen angewiesen. Ein Mangel an Mikronährstoffen führt daher zu einer Beeinträchtigung von Struktur und Funktionsfähigkeit der Darmmukosa.

Mikronährstoffdefizite treten also nicht nur als Folge von Darmerkrankungen auf, sondern begünstigen auch deren Entstehung. Die Fehlernährung bei CED spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Folgeerkrankungen wie Osteoporose, Anämie etc.

 

Cystein

Cystein ist eine schwefelhaltige Aminosäure mit einer freien Thiolgruppe. Cystein ist Ausgangssubstanz und meist limitierender Faktor für die Glutathionsynthese. Aus Zellkulturversuchen ist bekannt, dass die Cysteinverfügbarkeit und die lokalen GSH-Konzentrationen direkt die Proliferation der Epithelzellen beeinflussen. Ein oxidativer Stress stört die Zellproliferation und induziert das „Selbstmordprogramm“ der Schleimhautzellen, wobei dann Cystein und Glutathion vermehrt in oxidierter Form vorliegen. Ohne ein ausreichendes Cysteinangebot kommt es also zu einer Beeinträchtigung der Zellerneuerung der Darmschleimhaut.


Glutamin

Der Gastrointestinaltrakt ist mit Abstand der größte Nutzer von Glutamin im Körper, da die Schleimhautzellen Glutamin als ihre Hauptenergiequelle verwenden. Die Bedeutung des Glutamins für den Darm wird dadurch deutlich, dass eine teilparenterale Ernährung ohne Glutamin zu einer Atrophie der Schleimhaut und der Darmvilli des Dünndarms führt. Eine Zugabe von Glutamin zu einer teilparenteralen Lösung führt zu einer Wiederherstellung der Darmmukosa. Traumata, Infektionen, Chemotherapie und andere Stressfaktoren sind mit einer Störung der Durchlässigkeit der Darmwand assoziiert. Diese kann bei verschiedenen Erkrankungen gefunden werden, dazu gehören Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Reizdarmsyndrom und Lebensmittelallergien. Bei diesen Erkrankungen ist eine Glutaminsupplementierung von Nutzen.

Im März 2012 wurde publiziert, dass Glutamin auch den Aminosäurenstoffwechsel der Darmbakterien verändert. Die Zugabe von Glutamin zu entsprechenden Bakterienkulturen verminderte den Abbau der meisten Aminosäuren in Bakterienstämmen, die im Dünndarm vorkommen. Wenn weniger Aminosäuren abgebaut werden, so hat dies natürlich auch einen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit im Blutkreisslauf.


Threonin

Threonin ist eine essentielle Aminosäure und von großer Bedeutung für den Darm, weil die Schleimstoffe bis zu 30 Prozent aus Threonin bestehen. Alle Faktoren, die eine vermehrte Bildung von Schleimstoffen notwendig machen, z.B. erhöhte Schleimverluste, bewirken deshalb auch einen erhöhten Threoninbedarf. Es findet kein signifikantes Threonin-Recycling im Darm statt, so dass ein großer Teil des durch die Nahrung aufgenommenen Threonins vom Magen-Darm-Trakt beansprucht wird.


Citrullin

Citrullin ist ein Metabolit des Harnstoffzyklus und auch ein wichtiges Stoffwechselprodukt der Dünndarmepithelien. In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass die Citrullinkonzentration ein guter Marker für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit der Dünndarmmukosa ist. Das Schlüsselenzym für die Citrullinbildung ist die Ornithin-Aminotransferase, die in besonders hohen Konzentrationen im Zwölffingerdarm und im oberen Dünndarmbereich gebildet wird. Im Kinder- und Jugendalter tritt der Morbus Crohn hauptsächlich in diesem Bereich auf, deshalb eignet sich die Citrullinkonzentration besonders bei Kindern und Jugendlichen als Marker für die Aktivität des Morbus Crohn.


Glycin

Glycin ist eine zellschützende Substanz und übt einen Schutzeffekt auf die Enterozyten aus. Im ganzen menschlichen Darm wird der spezifische Glycintransporter GLYT1 gebildet und dient hauptsächlich der Sicherstellung der Glycinversorgung für die Schleimhautzellen von Dünn- und Dickdarm. Glycin dürfte vor allen Dingen auch bei entzündlichen Darmerkrankungen von Nutzen sein. Glycin ist neben Cystein und Glutaminsäure ein Baustein für die Glutathionsynthese. Besonders bei proteinarmen Ernährungformen kann ein Glycinmangel die Glutathionbildung erheblich beeinträchtigen.


B-Vitamine und Homocystein

Im November 2011 ergab eine Metaanalyse, dass das Risiko für eine Hyperhomocysteinämie im Vergleich zu Kontrollpersonen bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen (IBD) signifikant höher liegt. Die mittlere Homocysteinkonzentration war bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn in etwa gleich. Bereits 2008 wurde von französischen Wissenschaftlern publiziert, dass bei IBD-Patienten mit Hyperhomocysteinämie ein Folsäuremangel das Risiko für Darmkrebs erhöht. Ein Vitamin-B12- und Folsäuremangel kommt bei Patienten mit Morbus Crohn häufiger vor als bei Patienten mit Colitis ulcerosa und Kontrollpersonen. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlern der Universität Ankara.


Vitamin D und K

2009 wurde von japanischen Wissenschaftlern publiziert, dass Patienten mit Morbus Crohn im Vergleich zu Colitis-ulcerosa-Patienten signifikant niedrigere Konzentrationen von Vitamin K und 25 OHD und eine niedrigere Knochendichte aufwiesen.

Niedrige Konzentrationen von Vitamin K und 25 OHD waren unabhängige Risikofaktoren für eine niedrige Knochendichte, und sie waren mit der Fettaufnahme der Patienten assoziiert.

In einer weiteren Studie aus Japan, die 2011 veröffentlicht wurde, konnte nachgewiesen werden, dass die Spiegel von untercarboxyliertem Osteocalcin signifikant mit der Aktivität des Morbus Crohn korrelierten. Die Spiegel von 1,25 Dihydroxyvitamin D waren im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen bei Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn signifikant niedriger.

Vitamin D scheint für die Darmgesundheit eine wichtige Rolle zu spielen. Es wird für die Bildung von Defensinen benötigt, wichtigen Molekülen des Immunsystems im Darm. Patienten mit Morbus Crohn zeigten verminderte Konzentrationen dieser Moleküle in der Darmschleimhaut. Niedrige Defensinspiegel führen dazu, dass die Darmschleimhaut porös wird, so dass Bakterien in die Schleimhaut einwandern können und dadurch Entzündungen auslösen.


Antioxidative Mikronährstoffe

Bereits der normale Verdauungsvorgang führt in erheblichem Umfang zu einer Bildung von Sauerstoff- und Stickstoffradikalen. Die Darmschleimhaut verfügt deshalb über ein unfangreiches Arsenal an Antioxidantien. Bei einer Zunahme des oxidativen Stresses, z.B. durch Entzündungen, kommt es aber dann zu Schäden der Darmschleimhaut und vor allem zu einer vermehrten Durchlässigkeit. Für die Integrität der Darmschleimhaut spielt besonders der Redoxstatus von Glutathion und Cystein eine Rolle. In verschiedenen Studien konnte nachgewiesen werden, dass bei IBD-Patienten häufig ein oxidativer Stress vorliegt. Patienten mit Colitis-ulcerosa und Morbus Crohn zeigten vermehrt DNA-Schäden der Leukozyten durch freie Radikale sowie eine verminderte antioxidative Kapazität. Die Aufnahme von Obst und Gemüse war bei diesen Patienten geringer im Vergleich zu Kontrollpersonen. Bei Kindern und jungen Erwachsenen mit aktiver IBD wurden häufig niedrigere Serumspiegel von Vitamin A und Vitamin E nachgewiesen, wobei die Vitaminkonzentrationen in einem engen Zusammenhang zum Schweregrad der Erkrankungen standen.

In einer kanadischen Studie führte eine Supplementierung von Vitamin E und C bei Morbus-Crohn-Patienten zu einer signifikanten Verminderung des oxidativen Stresses.


Spurenelemente

Kinder und Jugendliche mit IBD zeigten in einer kanadischen Untersuchung im Vergleich zu Kontrollpersonen signifikant niedrigere Zinkkonzentrationen. Eine häufige Folgeerkrankung bei IBD ist die Anämie, wobei am häufigsten eine Eisenmangelanämie vorkommt. Bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen ist sicher eine parenterale Verabreichung von Eisen zu erwägen, da orale Eisenpräparate bekanntlich häufig mit Störungen im Magen-Darm-Bereich einhergehen.


Bei Darmbeschwerden empfehlen wir die Durchführung des DCMS-Stoffwechsel-Profils oder alternativ die kleinere Variante, das Darm-Screening.

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