Mentaler Stress und Mikronährstoffe

Länger anhaltender psychischer Stress ruft eine Reihe von Veränderungen im Organismus hervor. Es kommt zu einer Daueraktivierung des Sympathikus und der Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse). Durch die Aktivität des Sympathikus werden im Nebennierenmark vermehrt die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Die Sympathikuswirkung zeigt sich zum Beispiel in einer Erhöhung des Pulsschlages, einem erhöhten Blutdruck einer vermehrten Muskelspannung und vielem mehr. Lang anhaltender Stress fördert auch die Noradrenalinsynthese im Gehirn, wodurch die psychische Befindlichkeit des Menschen nachhaltig gestört wird. Es entsteht das Gefühl der Anspannung, Ängstlichkeit und vermehrten Schreckhaftigkeit.

Die Aktivierung der HPA-Achse hat eine vermehrte Ausschüttung des Stoffwechselhormons Cortisol zu Folge. Chronisch erhöhte Cortisolspiegel gehen mit einer ganzen Reihe krankhafter Veränderungen im Organismus einher. Dazu gehört eine Zunahme des Fettgewebes im Bauchraum, eine Verminderung der Empfindlichkeit der Insulinrezeptoren, eine Schädigung bestimmter Hirnstrukturen, eine erhöhte Infektanfälligkeit und vieles mehr. Bei zahlreichen Erkrankungen gilt heute der psychische Stress als wesentlicher auslösender Faktor. Beispiele für diese Erkrankungen sind Angina pectoris, Arthritis, Ekzeme, Magengeschwüre, Migräne, Spannungskopfschmerzen, Schlafstörungen, entzündliche Darmerkrankungen, Depressionen, Angststörungen und viele mehr.

Dauerstresssituationen können stark entzündungsauslösend wirken durch eine vermehrte Ausschüttung von entzündungsfördernden Botenstoffen. Außerdem bewirkt psychischer Stress auch oxidativer Stress.

Mikronährstoffe können einen wichtigen Beitrag zur Verminderung von Stressschäden leisten. Dazu zählen eine Verbesserung der psychischen Befindlichkeit und der Stresstoleranz, eine Verbesserung der Immunkompetenz, Entkrampfung und muskuläre Entspannung sowie Schutz des Gefäßendothels. Weitere Wirkprinzipien der Mikronährstoffe sind: Verbesserung der antioxidativen Kapazität, Verminderung der Entzündungsaktivität und Verbesserung des zellulären Energiestoffwechsels.

Im Folgenden einige Hinweise dafür, wie Mikronährstoffe bei mentalem Stress helfen können:

 

Aminosäuren

Eine Supplementierung der Aminosäure Arginin kann Gefäßläsionen vermindern, die aufgrund eines erhöhten Sympathikotonus entstehen.

Glycin ist ein sogenannter inhibitorischer Neurotransmitter und hat eine entspannende und entkrampfende Wirkung auf die Muskulatur. Der kanadische Orthomolekularmediziner J.E.Prousky hat 2005 einen Newsletter zur orthomolekularen Behandlung von Angststörungen publiziert. Darin erwähnt Prousky, dass Glycin wahrscheinlich die Freisetzung von Noradrenalin im Gehirn hemmen kann, wodurch die Entstehung von Ängstlichkeit und Panik sowie eine Übererregbarkeit gedämpft werden.

Die Aminosäure Lysin hat sich in einigen Studien hinsichtlich einer Verbesserung der Stresstoleranz und Ängstlichkeit als wirksam erwiesen. Studien aus den Jahren 2005 und 2007 haben gezeigt, dass eine Kombination aus Lysin und Arginin die Stresstoleranz verbessern und Angstsymptome vermindern kann.

Tryptophan ist die Ausgangssubstanz für die Bildung von Serotonin, das für die Stimmung und für das Sozialverhalten des Menschen eine zentrale Bedeutung hat. Es konnte nachgewiesen werden, dass eine experimentell herbeigeführte Verminderung der Tryptophan-Verfügbarkeit die Intensität von Panikattacken erhöhen kann.

Wissenschaftler aus Südkorea haben 2009 publiziert, dass die Taurinaufnahme eine wichtige Rolle für die Reduzierung von Stresssymptomen spielte. In dieser Studie wurden die Taurinaufnahme und die Stress-Symptome mithilfe eines Fragebogens ermittelt.

Tyrosin ist die Ausgangssubstanz für die Bildung der Katecholamine und der Schilddrüsenhormone. Eine Tyrosin- Supplementierung kommt besonders dann infrage, wenn durch chronischen Stress ein Erschöpfungszustand eingetreten ist.

 

Spurenelemente und Mineralstoffe

Magnesium ist der Anti-Stress-Mikronährstoff und kann mit Erfolg bei Übererregbarkeit, Unruhe und Nervosität eingesetzt werden.

Eine ausreichende Eisenverfügbarkeit spielt eine wesentliche Rolle für die mentale Gesundheit und für die kognitive Leistungsfähigkeit des Menschen. Niedrige Ferritinkonzentrationen sind bei Kindern und Erwachsenen häufig mit Energieschwäche, Erschöpfung und verminderter psychischer Belastbarkeit assoziiert.

Zink ist für die Funktionsfähigkeit verschiedener Neurotransmittersysteme erforderlich. Zink ist also prinzipiell wichtig für die psychische Befindlichkeit und für die Hirnleistungsfähigkeit. Außerdem ist Zink an der Regulierung der HPA-Achse beteiligt. Es gibt mehrere Studien, die einen Zusammenhang zwischen niedrigen Zinkspiegeln und Depressionen festgestellt haben.

Selen spielt als Spurenelement eine wesentliche Rolle für den antioxidativen Schutz des Organismus und kann auch die Immunkompetenz verbessern.


Vitamine

Die Nervenzellen decken ihren Energiebedarf ganz überwiegend durch den Abbau von Kohlenhydraten, weshalb Vitamin B1 für die Energieversorgung der Nervenzellen von zentraler Bedeutung ist. Verschiedentlich wurde nachgewiesen, dass eine Supplementierung von Vitamin B1 zu einer Besserung der psychischen Befindlichkeit führte, auch wenn noch kein Vitamin-B1-Mangel nachweisbar war.

Die Vitamine B6, B12 und Folsäure sind für den Neurotransmitter-Stoffwechsel erforderlich und werden für den Homocysteinabbau benötigt. Bereits leicht erhöhte Homocysteinspiegel können zu Hirnleistungsstörungen und zu psychischen Befindlichkeitsstörungen führen. In einer 2008 publizierten Studie japanischer Wissenschaftler konnte nachgewiesen werden, dass mentaler Stress unter anderem auch die Homocysteinspiegel bei jungen Männern erhöhte.

2019 publizierten australische Wissenschaftler einen systematischen Übersichtsartikel und eine Metaanalyse über den Effekt einer Vitamin-B-Supplementierung auf depressive Symptome, auf Ängstlichkeit und Stress bei gesunden Personen und bei Personen mit erhöhter Stressgefährdung. 11 von 18 ausgewerteten Fachartikeln berichteten über einen positiven Effekt der B-Vitamine für die allgemeine Stimmungslage. Eine Supplementierung von B-Vitaminen hatte einen günstigen Effekt bei Stress, während der Nutzen bei depressiven Symptomen nicht signifikant war.

Vitamin C ist an der Synthese der Katecholamine, der Steroidhormone und verschiedener Neuropeptide beteiligt. Der Vitamin-C-Bedarf ist bei einer vermehrten Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin sehr hoch. Eine unzureichende Vitamin-C-Versorgung führt zu einer reduzierten Stresstoleranz. Vitamin C kann in einem gewissen Umfang die Stressreaktion des Organismus ausgleichen, erkennbar an einer reduzierten Cortisolausschüttung. In einer Studie an 42 Hochschulstudenten wurde untersucht, inwieweit eine Vitamin-C-Supplementierung Ängstlichkeitssymptome beeinflusste. Eine Supplementierung von 500 mg Vitamin C über einen Zeitraum von zwei Wochen führte zu einer Verminderung von Ängstlichkeitssymptomen, die mittels eines standardisierten Fragebogens abgefragt wurden. Vitamin C ist ein bedeutendes wasserlösliches Antioxidans und daher wichtig zur Begrenzung von oxidativem Stress.

In den letzten Jahren gibt es immer mehr Beweise dafür, dass Vitamin D auch eine wichtige Rolle für die Stimmung und für die mentale Gesundheit spielt. Im Gehirn gibt es zahlreiche Vitamin-D-Rezeptoren. Vitamin D ist an der Regulierung des Serotonin-Metabolismus beteiligt, ebenso an der Bildung des Nervenwachstumsfaktors sowie am Glutathionmetabolismus. 2015 publizierten Wissenschaftler aus dem Iran, dass psychiatrischer Dysstress, zum Beispiel auch Ängstlichkeit, mit Vitamin-D-Mangel bei Jugendlichen assoziiert war. Kanadische Wissenschaftler fanden einen Zusammenhang zwischen der Konzentration von 25(OH) D und Indikatoren der mentalen Gesundheit. Höhere Vitamin-D-Konzentrationen waren mit einer besseren psychischen Befindlichkeit assoziiert.

 

Coenzym Q10 / Carnitin

Beide Vitaminoide sind für die Energiegewinnung im Zellstoffwechsel erforderlich. Durch eine Supplementierung dieser Substanzen lassen sich Symptome wie Erschöpfung, Leistungsschwäche und Müdigkeit häufig bessern.

 

Referenzen: