Mikronährstofftherapie beim Kolonkarzinom

bauch-stephanie-hofschlaeger-pixelioWie Ernährung und Mikronährstoffe die Entstehung des Kolonkarzinoms beeinflussen können

Das Kolonkarzinom ist der häufigste Tumor des Gastrointestinaltrakts in den westlichen Industriestaaten. Der Zusammenhang zwischen Ernährungsgewohnheiten und dem Auftreten des Kolonkarzinoms ist inzwischen sehr gut belegt. So fand sich in zahlreichen epidemiologischen Studien eine hohe Korrelation zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch und Fleischprodukten und dem Risiko für das Kolonkarzinom. Für Fleischprodukte wie Wurst, Schinken, Pökelwaren etc. ist dieser Effekt besonders ausgeprägt.

Fleischproteine werden durch Erhitzen zu Ausgangssubstanzen für die Bildung von canzerogenen heterozyklischen Aminen. Bei der Konservierung von rotem Fleisch, z.B. beim Pökeln und Räuchern, entstehen Substanzen wie N-Nitrosoverbindungen, die mutagene und genotoxische Effekte aufweisen. Bei einer fleischreichen und ballaststoffarmen Ernährung kommt es zu einem signifikanten Anstieg der Genotoxizität des Fäkalwassers, zu dem auch das Hämeisen beiträgt.

Ein weiterer Risikofaktor für das Kolonkarzinom ist eine hohe Fettzufuhr, die zu einer erhöhten Gallesekretion und zu einer vermehrten Bildung kokarzinogener sekundärer Gallensäuren führt. Besonders gesättigte Fettsäuren, aber auch eine hohe Zufuhr von Omega-6-Fettsäuren, erhöhen das Karzinomrisiko. Nicht nur für das Kolonkarzinom, sondern für die meisten Tumorarten gilt, dass eine zu hohe Energiezufuhr mit daraus resultierendem Übergewicht auch das Tumorrisiko erhöht. Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Alkoholkonsums und dem Auftreten des Kolonkarzinoms.

Eindeutig protektiv wirken eine hohe Zufuhr von Obst, Gemüse und Ballaststoffen sowie eine Ernährungsweise mit niedrigem glykämischen Index. Der protektive Effekt einer pflanzlich betonten Ernährung hängt wesentlich mit der Vielzahl gesundheitsförderlicher sekundärer Pflanzeninhaltstoffe wie Glukosinolaten, Phenolsäuren, Sulfiden etc. zusammen.

Viele Mikronährstoffe haben ein erhebliches präventives Potential gegen Tumorerkrankungen, was sich in vielen epidemiologischen Studien gezeigt hat. Auch bei einer bereits bestehenden Tumorerkrankung ist eine orthomolekulare Therapie als Teil eines onkologischen Gesamtkonzepts sinnvoll. Wichtig ist aber in jedem Fall eine sorgfältige Abstimmung mit der konventionellen Tumortherapie. Dies gilt besonders für die Frage, ob und welche Antioxidantien während einer Chemotherapie eingesetzt werden dürfen. Kedar N. Prasad von der University of Colorado befürwortet z.B. die Einnahme von antioxidativen Vitaminen während einer Chemotherapie. Körpereigene Antioxidantien wie z.B. Glutathion sollten aber laut Prasad in diesem Zeitraum nicht eingesetzt werden.

Therapeutische Ziele einer Mikronährstofftherapie bei Tumorerkrankungen sind eine Stabilisierung des Immunsystems des Patienten, eine Verminderung der Tumorkachexie und eine Besserung der Lebensqualität.

Die im Folgenden aufgeführten Mikronährstoffe können in der Prävention und Therapie des Kolonkarzinoms von großem Nutzen sein. Daraus kann aber keinesfalls ein „Heilversprechen“ für diese Erkrankung abgeleitet werden, da erfahrungsgemäß bei Tumorerkrankungen die unterschiedlichsten Einflussfaktoren eine Rolle spielen.

 

Vitamine

Vitamin A

Bei Patienten mit Kolonpolypen wurden mehrfach verminderte Vitamin-A-Konzentrationen festgestellt. Physiologische Vitamin-A-Konzentrationen sind erforderlich für eine geordnete Differenzierung der schnellproliferierenden Epithelzellen der Darmwand. Ein Vitamin-A-Mangel ist mit einem erhöhten Risiko für das Kolonkarzinom assoziiert.

 

Vitamin D

Verschiedene epidemiologische Studien in den letzten Jahren haben gezeigt, dass eine hohe Vitamin-D-Zufuhr mit einem geringeren Risiko für das Kolonkarzinom verbunden ist. Es gibt Hinweise, dass präkanzeröse Polypen bei niedrigen Vitamin-D-Spiegeln vermehrt auftreten. Viele Tumorzellen besitzen Rezeptoren für Vitamin D3. Calcitriol kann die Proliferationsrate und den Differenzierungsgrad der entarteten Zellen positiv beeinflussen. Außerdem gibt es Hinweise, dass Vitamin D den programmierten Zelltod bei entarteten Zellen einleitet.

 

Vitamin E

Unter den Vitamin-E-Derivaten erwies sich besonders das Vitamin-E-Succinat als wirksam beim Kolonkarzinom. Die antikarzinogene Wirkung von Vitamin E dürfte auf mehrere Faktoren zurückzuführen sein. Es vermindert die Bildung von Mutagenen aus fäkalen Lipiden, es reduziert den oxidativen Stress in den Epithelzellen und es steigert die Expression des Krebssuppressorgens p53.

 

Vitamin C

Vitamin C ist neben Selen wohl der am häufigsten verwendete Mikronährstoff in der adjuvanten Tumortherapie. Vitamin C ist das wichtigste wasserlösliche Antioxidans und steigert auf verschiedene Arten die Immunantwort. Durch eine Vitamin-C-Supplementierung lassen sich häufig Schmerzen aufgrund von Knochenmetastasen vermindern.

 

Folsäure

Die Nurse`s Health Study zeigte, dass bei einer langfristigen Folsäurezufuhr von über 400 µg täglich das Kolonkarzinom wesentlich seltener auftrat als bei den Studienteilnehmern mit einer Folataufnahme von unter 200 µg. Für diesen tumorprotektiven Effekt der Folsäure gibt es plausible biochemische Erklärungen. Folsäure ist erforderlich für die DNA-Methylierung, die DNA-Replikation und für die DNA-Reparatur. Eine DNA-Hypomethylierung ist sozusagen die Ausgangsbasis für die Entstehung des colorektalen Karzinoms, da die Regulierung der Genexpression nachhaltig gestört ist.

 

Spurenelemente und Mineralstoffe

Selen

Selen ist eine wichtige tumorpräventive Substanz mit verschiedenen Wirkmechanismen:

  1. Maximierung der Aktivität der antioxidativen Selenoenzyme, z.B. Glutathionperoxidasen, Thioredoxinreduktase.

  2. Verbesserung der zellulären und humoralen Immunabwehr mit erhöhter Aktivität der NK-Zellen.

  3. Reduzierung der oxidativen Aktivierung prokanzerogener Verbindungen.

  4. Blockierung der Weiterentwicklung bereits transformierter Zellen. Bei Dosierungen von 200 – 300 µg/ Tag bilden sich zytotoxische Selenmetabolite, welche die Angiogenese von Tumorzellen hemmen und die Apoptose von Krebszellen einleiten.

Ein Selenmangel fördert generell eine DNA-Hypomethylierung. Patienten mit einer Selenkonzentration von unter 70 µg/ l im Blutserum haben eine signifikant schlechtere Überlebensprognose als solche mit einer Konzentration von über 70 µg/ l. Das größte tumorpräventive Potential scheinen methylierte Selenverbindungen zu haben.

 

Calcium

Einige epidemiologische Studien haben gezeigt, dass eine höhere Calciumaufnahme mit einer Verminderung des Kolonkarzinomrisikos einhergeht. Calcium vermindert die Bildung von Darmpolypen und die Proliferation von Colonzellen. Eine Calciumsupplementierung reduziert die Spiegel von Diacylglycerol (DAG). DAG führt über die Proteinkinase C zu einer Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-Kappa-B, der wiederum entzündliche und prooxidative Prozesse in den Zellen hervorruft.

 

Zink

Eine ausreichende Zinkverfügbarkeit ist die Voraussetzung für eine optimale Aktivität des zellulären und humoralen Immunsystems. Zink stärkt die zelluläre Immunantwort bei Krebspatienten. Zink ist auch Teil der Cu/Zn-Superoxiddismutasen, die zum antioxidativen Schutzsystem des Organismus gehören. Bei einem Zinkmangel kann es vermehrt zu DNA-Strangbrüchen und zu oxidativen Veränderungen der DNA kommen. Zink ist essentieller Bestandteil verschiedener Transkriptionsfaktoren (Zinkfinger-Proteine) und verschiedener DNA-Reparaturproteine.

 

Aminosäuren

Cystein

Cystein, eine schwefelhaltige Aminosäure mit einer freien Thiolgruppe, ist der limitierende Faktor für die Glutathionsynthese. Das heißt, durch eine Cystein-Supplementierung, am besten in Form von NAC, lässt sich die Glutathionsynthese steigern. Glutathion hat zahlreiche Funktionen im Zellstoffwechsel, davon sind einige für die Tumorprävention von besonderer Bedeutung:

Reduziertes Glutathion (GSH) ist ein effektiver Radikalfänger für verschiedene freie Radikale und ROS — wie das Hydroxylradikal, die Lipidperoxylradikale, Wasserstoffperoxid und Peroxinitrit. Zum antioxidativen Glutathionsystem gehören außerdem die Glutathionperoxidasen und die Glutathionreduktase. GSH reagiert mit verschiedenen elektrophilen Verbindungen, zu denen auch verschiedene Karzinogene gehören, unter Bildung von Mercapturaten. GSH ist essentiell für die Aktivierung von T-Lymphozyten, neutrophilen Granulozyten und für die Cytokinproduktion. Über das GSH/ GSSG-Verhältnis werden verschiedene Signalwege in der Zelle reguliert, u.a. auch die Bildung von Entzündungsmediatoren und die Apoptose.

Cystein und GSH sind Chelatbildner und reagieren mit Metallen, die eine Affinität zu Thiolgruppen haben, z.B. Quecksilber und Arsen. Im fortgeschrittenen Tumorstadium ist häufig ein Glutamin-Cystein-Mangel-Syndrom nachweisbar, das gekennzeichnet ist durch vermehrten Muskelproteinabbau, Glutathionmangel, massive Immunschwäche und erhöhte Permeabilität der Darmwand. Eine Cystein-Supplementierung kann die Stickstoffverluste bei katabolen Stoffwechselzuständen vermindern, da die Cystein-Protonen den Harnstoffcyclus bremsen.

In einer Studie der Universität von Catania wurden bei Koloncarzinom-Patienten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe signifikant niedrigere Thiolkonzentrationen im Blutplasma nachgewiesen. Nach operativer Entfernung des Tumors kam es zu einer Normalisierung der Thiolkonzentrationen. Im Vergleich dazu führte eine Radiatio oder Chemotherapie zu einer weiteren Verschlechterung.

 

Glutamin/ Arginin

Wie mehrere Studien gezeigt haben, verbessert eine präoperative Arginin- und/ oder Glutamin-Supplementierung immunologische Parameter und das „outcome“ bei Coloncarzinompatienten. Untersucht wurde auch eine Kombination von Arginin und Omega-3-Fettsäuren sowie eine Kombination bestehend aus Arginin, Glutamin und Beta-hydroxy-beta-methylbutyrat (HMB). HMB ist ein Metabolit von Leucin, das bekanntlich eine muskelanabole Wirkung hat. Durch diese Kombination konnte eine signifikante Zunahme der fettfreien Körpermasse bei Tumorpatienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium erreicht werden.

In einer vor kurzem publizierten Studie der Universität Maastricht wurden bei Patienten mit verschiedenen Tumorarten durchgängig erniedrigte Argininkonzentrationen nachgewiesen, auch dann, wenn noch kein Gewichtsverlust vorlag.

Eine Glutaminsupplementierung zeigte bei verschiedenen Formen der Chemotherapie eine Reduzierung der damit verbundenen Nebenwirkungsrate, z.B. Abmilderung einer Mucositis.

 

Verzweigtkettigen Aminosäuren (Leucin, Isoleucin, Valin)

Bei Tumorerkrankungen im fortgeschrittenen Stadium sind die Konzentrationen der verzweigtkettigen AS (BCAAs) vermindert, da ein erheblicher physischer Stress den BCAA-Bedarf erhöht. Eine Supplementierung der BCAAs ist vor allem auch bei Bettlägerigkeit zu erwägen, da dadurch der Muskelproteinabbau vermindert wird.

 

Kasuistik

Das Aminosäurenprofil wurde bei einem 45-jährigen Patienten durchgeführt, bei dem die Diagnose Kolonkarzinom mit multiplen Lebermetastasen vorlag.

 

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Je nach Art und Stadium der Tumorerkrankung können die Aminosäurenprofile sehr unterschiedlich ausfallen. Deshalb ist das oben dargestellte Aminosäurenmuster nicht ohne weiteres auf alle Patienten mit Kolonkarzinom übertragbar. Generell sollte eine Nahrungsergänzung mit Aminosäuren nur nach vorheriger Aminosäurenanalyse erfolgen.

 

Referenzen:
  1. Kedar N Prasad, PhD: Multiple Dietary Antioxidants Enhance the Efficacy of Standard and Experimental Cancer Therapies and Decrease Their Toxicity; Integrative Cancer Therapies 3(4); 2004 pp. 310-322
  2. Michael S Donaldson: Nutrition and cancer: A review of the evidence for an anti-cancer diet; Nutrition Journal, page 1 of 21
  3. Vissers YL et al.: Plasma arginine concentrations are reduced in cancer patients: evidence for arginine deficiency ? Am J Clin Nutr. 2005 May; 81(5): 1142-6
  4. Claudia Di Giacomo et al.: Nonproteic Antioxidant Status in Plasma of Subjects with Colon Cancer; Exp Biol Med 228: 525-528, 2003
  5. LifeExtension Magazine, Health Concerns, Colorectal Cancer
Veröffentlicht:
CO`MED Nr. 8 - 2005; Autor: Dr. med. Hans-Günter Kugler

Unsere Empfehlung für eine Mikronährstoffanalyse: DCMS-Stoffwechsel-Profil