Labordiagnostik - Mikronährstoffdefizite klar erkennen

labor-archivIm Rahmen eines ganzheitlichen klinischen Therapiekonzepts spielt die Orthomolekulare Medizin eine wichtige Rolle. Mikronährstoffe wie Vitamine, Vitaminoide, Mineralstoffe, Spurenelemente und Aminosäuren können mit Erfolg bei zahlreichen Erkrankungen eingesetzt werden. Da Mikronährstoffdefizite klinisch meist nicht erkennbar sind, ist eine orthomolekulare Labordiagnostik eine unverzichtbare Voraussetzung für eine effektive Therapie mit Mikronährstoffen. Die Bestimmung der Aminosäuren im Blutplasma/ Serum ist eine wesentliche Bereicherung der Mikronährstoffdiagnostik.

 

Aminosäurenanalysen wurden früher hauptsächlich zum Nachweis oder Ausschluss angeborener Störungen des Aminosäurenstoffwechsels durchgeführt, z.B. Phenylketonurie, Ahornsirup-Krankheit.

In den letzten Jahren hat das wissenschaftliche und klinische Interesse an den Aminosäuren und an Aminosäurenanalysen stark zugenommen. So wurde Homocystein als eigenständiger Risikofaktor für Gefäßerkrankungen entdeckt, Stickstoffmonoxid (NO), das aus Arginin gebildet wird, ist eines der vielseitigsten Signalmoleküle und wird weltweit intensiv erforscht. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Arginin einen protektiven Effekt auf das Gefäßendothel hat und die Aktivität des Immunsystems verbessert.

Glutamin ist bei schweren internistischen Erkrankungen sowie nach Operationen und nach Traumata häufig defizitär, weil der Glutaminbedarf des Immunsystems und des Darms in diesen Stoffwechselsituationen sehr hoch ist. Das Verhältnis von Tryptophan zu den neutralen Aminosäuren im Blutserum ist ein entscheidender Faktor für die Tryptophanverfügbarkeit und damit für die Serotoninsynthese im Gehirn. Serotonin ist wesentlich an der Regulation von Stimmung, Appetit, Schmerzempfindlichkeit, Schlaf, Endokrinum etc. beteiligt. Cystein ist der limitierende Faktor für die Glutathionsynthese und spielt eine zentrale Rolle für den Erhalt der immunkompetenten Muskelzellmasse.

Im Folgenden wird anhand von zwei Fallbeispielen gezeigt, was sich aus Aminosäurenanalysen diagnostisch ableiten lässt und welche therapeutische Möglichkeiten sich daraus ergeben.

 

Fallbeispiel 1

Das folgende Aminosäurenprofil wurde bei einer 77-jährigen Patientin durchgeführt. Die Patientin hatte folgende Hauptdiagnosen: primäre biliäre Leberzirrhose mit destruierender Cholangitis, chronische Pankreasinsuffizienz, Arteriosklerose mit cerebralen und peripheren Durchblutungsstörungen, Gonarthrose beidseits, allergische Diathese.

Im Routinelabor zeigte sich eine Erhöhung der Gamma-GT, des Gesamtcholesterins und des LDL-Cholesterins sowie eine stark erhöhte Gesamt-AP.

 

Die Konzentrationen einiger Aminosäuren waren auffällig:

 

Der Patientin wurde folgende Aminosäuren verordnet:

NAC 600 mg:   2 x 1

Pulver mit folgenden Aminosäuren
Alanin 80 g
Asparagin 60 g
Threonin 60 g
Tryptophan 40 g
Isoleucin 60 g
Leucin 100 g
Valin 80 g
Dosierung: 2 x 6 g tgl.

 

Fallbeispiel 2

Es handelt sich um eine 60-jährige Patientin, die ebenfalls mehrere Wochen stationär behandelt wurde wegen folgender Diagnosen: schweres Asthma bronchiale, allergische Diathese, Fibromyalgie, Schlafstörungen.

Pathologische Laborparameter waren eine leichtere Erhöhung des Gesamtcholesterins sowie stark erhöhte Gamma GT- und CRP-Konzentrationen.

 

Im Aminogramm der Patientin waren einige Aminosäuren-Konzentrationen auffällig:

 

Der Patientin wurde folgende Aminosäuren verordnet:

NAC                       600 mg tgl.

Pulver mit folgenden Aminosäuren:
Asparagin 40 g
Glutamin 240 g
Glycin 80 g
Taurin 80 g
Ornithin 40 g
Dosierung:              2 x 6 g tgl.

Außerdem wurden bei der Patientin Magnesium, Kalium, Vitamin B12 und Vitamin C supplementiert, da diese Mikronährstoffe verminderte Konzentrationen im Blut aufwiesen. Insgesamt konnte durch diese gezielte Therapie bei der Patientin eine deutliche Besserung der Asthma- und Fibromyalgie-Symptomatik erreicht werden.

 

Fazit:
Mikronährstoffanalysen sind eine wertvolle Ergänzung zu den üblichen klinisch-chemischen Laborparametern. Eine orthomolekulare Therapie wird von den Patienten gerne angenommen, wenn Mikronährstoffdefizite nachgewiesen wurden und dadurch eine Supplementierung begründet ist.
 
 
Referenzen:
  • Uwe Gröber: Orthomolekulare Medizin, WVG, 2. Auflage 2002
  • Felicitas Reglin: Bausteine des Lebens, Ralf Reglin Verlag Köln, 2. Auflage 2003
  • Martin Eastwood: Principles of Human Nutrition, Blackwell Publishing, second edition 2003
  • Eric R. Bravermann, M.D.: The Healing Nutrients Within, Basic Health 2003, third edition

 

Veröffentlicht:
CO`MED Nr. 11/ 2003; Autor: Dr. med. Hans-Günter Kugler
Bild: Archiv