Zöliakie und Mikronährstoffe

Als Zöliakie wird eine Intoleranz gegen das Getreideprotein Gluten bezeichnet. Die Betroffenen können keine Lebensmittel vertragen, die Gluten enthalten. Im Körper von Zöliakiepatienten kommt es zu einer Autoimmunreaktion, die irgendwann schließlich zur vollständigen Zerstörung der Darmzotten führt. Zöliakie ist also eine Autoimmunerkrankung, die durch eine Nahrungsmittelintoleranz ausgelöst wird. Um an Zöliakie zu erkranken, ist eine spezifische genetische Prädisposition erforderlich. Grundsätzlich kann die Erkrankung in jedem Lebensjahr auftreten. Es ist nicht unbedingt eine typische Erkrankung im Säuglings- und Kindesalter, tatsächlich ist die Prävalenz am höchsten in der älteren Bevölkerung. Schätzungsweise ist rund ein Prozent der westlichen Bevölkerung an Zöliakie erkrankt, wobei ein sehr hoher Prozentsatz der Erkrankungen unerkannt verläuft. In diesem Zusammenhang spricht man von einem Zöliakie-Eisberg, wobei die klassische Zöliakie sozusagen die Spitze darstellt. 

Neben der Zöliakie gibt es auch die Glutensensitivität, deren Symptome häufig denen der Zöliakie ähneln. Es handelt sich bei der Glutensensitivität aber um ein anderes klinisches Krankheitsbild als bei der Zöliakie. Die Glutensensitivität führt nicht zu einer Entzündung der Darmschleimhaut und Zerstörung der Darmepithelien. Bei Reaktionen aufgrund einer Glutensensitivität kommt auch ein anderer Mechanismus des Immunsystems zur Wirkung. Eine weitere durch Weizenproteine ausgelöste Erkrankung ist die Weizenallergie. Bei allergischen Reaktionen auf Weizen kommt es zu einer Überproduktion von IgE-Antikörpern. Die bei der Zöliakie gebildeten Autoantikörper gehören hauptsächlich zum Typ IgA.

Die Zöliakie gilt inzwischen als häufige Volkserkrankung. Die Prävalenz der Zöliakie, die man für verschiedene europäische Länder und Nordamerika ermittelt hat, liegt bei etwa einem Prozent, wobei die Erkrankung heute deutlich häufiger auftritt als noch vor Jahrzehnten. Aus einem Fachartikel, der im August 2015 im deutschen Ärzteblatt publiziert wurde, geht hervor, dass die Zöliakieprävalenz bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland bei 0,9 Prozent liegt. In Serumproben von Teilnehmern der KiGGS-Studie wurden Zöliakie-spezifische Autoantikörper und Gesamt-IgA untersucht. Die seropositiven Kinder und Jugendlichen hatten im Vergleich zu seronegativen Kindern auch niedrigere Ferritin- und Folsäurewerte.

Die Zöliakie ist eine typische Malabsorptionserkrankung des Darms. Durch die Schädigung der Darmmukosa ist das Risiko für vielfältige Nährstoffmängel deutlich erhöht, besonders auch für Mikronährstoffe. Auch die glutenfreie Diät kann zu einem Mikronährstoffmangel führen, da z.B. Vollkornprodukte wichtige Lieferanten für B-Vitamine sowie Magnesium und Zink sind.

In zahlreichen Studien wurden Mikronährstoffdefizite bei Zöliakiepatienten nachgewiesen. 2013 publizierten Wissenschaftler des Crohn Colitis Center Rhein-Main eine Studie, in der die Nährstoffaufnahme von Zöliakiepatienten mit den DACH-Referenzwerten verglichen wurde.

Die durchschnittliche tägliche Mikronährstoffaufnahme von männlichen und weiblichen Zöliakiepatienten war, verglichen mit den Daten der Nationalen Verzehrsstudie II, signifikant niedriger. Dies betraf insbesondere die Vitamine B1, B2, B6, Folsäure, Magnesium und Eisen.

Auch in einer australischen und niederländischen Studie zeigten sich bei Zöliakiepatienten verschiedene Mikronährstoffmängel.  


Aminosäuren

Niederländische Wissenschaftler untersuchten die Aufnahme von Aminosäuren und die Serumspiegel von Aminosäuren bei 77 Zöliakiepatienten und bei 33 gesunden Kontrollpersonen. Die Zöliakiepatienten hatten eine geringere Aufnahme pflanzlicher Proteine; die Serumkonzentrationen von Tyrosin, Phenylalanin und Tryptophan waren niedriger als bei den Kontrollpersonen. Allerdings war dies nicht mit einem vermehrten Auftreten von Major-Depression assoziiert.

Türkische Wissenschaftler fanden bei Kindern mit Zöliakie im Vergleich zu Kontrollpersonen signifikant niedrigere Plasmaspiegel von Citrullin, Glutamin und Cystin.

Serbische Wissenschaftler konnten bei Kindern mit Zöliakie sowohl im Blutserum wie auch in Gewebeproben verminderte Glutathionkonzentrationen nachweisen.


Spurenelemente

Bei der Zöliakie können auch Störungen des Eisenstoffwechsels auftreten. US-Wissenschaftler konnten in einer Fallkontrollstudie nachweisen, dass Patienten mit einer erhöhten Eisenbindungskapazität ein erhöhtes Zöliakierisiko aufwiesen. Eine erhöhte  Eisenbindungskapazität ist ein typisches Zeichen eines Eisenmangels. Es gibt verschiedene mögliche Gründe für einen Eisenmangel bei Zöliakie, z.B. eine Verminderung der Eisenresorptionsfläche sowie Blutverluste im Darmbereich und eine reduzierte Bildung verschiedener Proteine, die für den Eisenstoffwechsel wichtig sind.

In einer indischen Studie wurde bei Kindern mit der neu gestellten Diagnose Zöliakie niedrige Zinkkonzentrationen nachgewiesen. Auch Wissenschaftler aus dem Iran haben bei Zöliakiepatienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen eine Verminderung der Zinkkonzentration festgestellt.

Eine Zöliakie kann auch einen Kupfermangel hervorrufen. 2009 wurde von der Mayo-Klinik über eine Patientin berichtet, bei der durch Kupfermangel infolge Zöliakie eine Myelo-Neuropathie aufgetreten war.

In einigen Studien zeigte sich bei Patienten mit Zöliakie auch eine verminderte Selenaufnahme, z.B. in einer Studie mit 30 Kindern, deren Ergebnisse 2004 publiziert wurde. Britische Wissenschaftler konnten bei Patienten mit Zöliakie u.a. auch eine niedrigere Selenaufnahme nachweisen; besonders niedrig war die Selenaufnahme bei männlichen Patienten. Italienische Wissenschaftler publizierten 2010 einen Fachartikel mit der Kernaussage, dass die Selen-Malabsorption bei der Zöliakie auch ein Schlüsselrisikofaktor für Schilddrüsen-Autoimmunerkrankungen sei. Die Schilddrüse ist besonders empfindlich gegenüber einem Selenmangel, da Selenoproteine für die Biosynthese und Aktivität der Schilddrüsenhormone benötigt werden. Schilddrüsenautoimmunerkrankungen sind häufige Folgeerkrankungen einer Zöliakie.


Elektrolyte

Mehrere Studien zeigten auch Zusammenhänge zwischen Zöliakie und der Magnesiumversorgung. In einer polnischen Untersuchung, die 2001 publiziert wurde, wurde bei allen Patienten mit klassischer Zöliakieerkrankung ein Magnesiummangel nachgewiesen. In der deutschen Zöliakiestudie von 2013 war die Magnesiumaufnahme bei den Zöliakiepatienten im Vergleich zu den erhobenen Daten der Nationalen Verzehrsstudie II erniedrigt. Probleme mit der Magnesiumversorgung bei Zöliakiepatienten könnten auch ein Risikofaktor für das vermehrte Auftreten einer Osteoporose sein.

Bei Zöliakiepatienten sollte auch auf die Calciumaufnahme geachtet werden, weil infolge des Krankheitsbildes häufig auch eine Calciummalabsorption auftritt, die dann mit Knochenverlusten, Osteoporose und einem erhöhten Frakturrisiko einhergeht.


Vitamine

In einigen Studien wurden erhöhte Homocysteinkonzentrationen bei Zöliakiepatienten festgestellt. Erhöhte Homocysteinkonzentrationen wurden auch mit Entzündungsaktivität, Insulinresistenz und verminderter Gefäßelastizität in Zusammenhang gebracht. Wissenschaftler aus Nordirland untersuchten bei Zöliakiepatienten die Konzentrationen der B-Vitamine und von Homocystein sowie die Knochendichte. Sie konnten zeigen, dass bei diesen Patienten die Vitamin-B12-Konzentration ein signifikanter Determinator der Knochendichte war. Bei Erwachsenen mit lang andauernder Zöliakieerkrankung normalisierten die Vitamine B12, B6 und Folsäure die Homocysteinkonzentrationen und führten auch zu einer signifikanten Verbesserung des Wohlbefindens. 

Spanische Wissenschaftler führten an Gewebeproben von Zöliakiepatienten verschiedene Untersuchungen durch. Sie konnten nachweisen, dass Ascorbinsäure die Entzündungsantwort auf Gluten durch komplette Unterdrückung der Interleukin-15-Produktion verminderte. Aus diesem Grund dürfte Vitamin C auch ein wichtiger Mikronährstoff in der Behandlung der Zöliakieerkrankung sein.

Im Rahmen der Durchführung einer glutenfreien Ernährung sollten auch die Vitamin-E-Konzentrationen überwacht werden, da ein größerer Vitamin-E-Mangel zu Störungen des Nerven- und Muskelstoffwechsels führen kann. Eine diesbezügliche Fallstudie wurde 2005 von Wissenschaftlern aus Zypern publiziert. Bei neurologischen Komplikationen einer Zöliakieerkrankung sollte immer auch ein Vitamin-E-Mangel in Betracht gezogen werden. Wissenschaftler aus Polen konnten bei Zöliakiepatienten erhöhte Marker von oxidativen DNA-Schäden nachweisen. Die mittleren Plasmakonzentrationen von Vitamin A und E bei unbehandelten Zöliakiepatienten waren signifikant niedriger als bei behandelten Patienten. Die Wissenschaftler empfehlen eventuell eine Supplementierung der Vitamine A und E, um das Risiko für eine Tumorentwicklung zu vermindern.

US-Wissenschaftler führten eine Literaturstudie über die Häufigkeit eines Vitamin-D-Mangels bei gastrointestinalen Erkrankungen von Kindern durch. Infolge der Malabsorption hatten die Kinder mit Magen-Darm-Erkrankungen mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Vitamin-D-Mangel. US-Wissenschaftler publizierten im Juli 2013, dass ein Vitamin-D-Mangel sehr häufig bei Zöliakiepatienten auftrat, aber nicht unbedingt zu einem erhöhten Risiko für andere Autoimmunerkrankungen führte. Allerdings fanden sie bei Vitamin-D-Mangelpatienten ein erhöhtes Risiko für Psoriasis. Übergewichtige Kinder mit Zöliakie- und Typ-1-Diabetes hatten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen eine dreifach höhere Wahrscheinlichkeit für einen Vitamin-D-Mangel. Wissenschaftler der George Washington University publizierten im August 2015, dass ein Vitamin-D-Mangel weltweit sehr häufig auftritt. Bei Patienten mit intestinalen Malabsorption, wie z.B. auch der Zöliakieerkrankung, sei der Vitamin-D-Mangel noch häufiger als in der allgemeinen Bevölkerung.


Carnitin

Bei Kindern mit Zöliakie wurden verminderte Serumkonzentrationen von Carnitin nachgewiesen. Italienische Wissenschaftler berichteten 2007 über die Ergebnisse einer Studie, in der 30 Zöliakiepatienten über einen Zeitraum von sechs Monaten täglich zwei Gramm Carnitin erhielten. 30 weitere Patienten bildeten die Placebogruppe. Durch die Carnitintherapie kam es zu einer deutlichen Verminderung von Müdigkeitszuständen bei den Zöliakiepatienten.

 

Referenzen: