Neurodegenerative Erkrankungen und Mikronährstoffe

neurodegenerative ErkrankungenNeurodegenerative Erkrankungen sind definitionsgemäß Erkrankungen, die mit einem Untergang von Nervenzellen im Zentralnervensystem (ZNS) einhergehen. Die bekanntesten neurodegenerativen Erkrankungen sind: Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, amyotrophe Lateralsklerose und Chorea Huntington.

Mikronährstoffe spielen für die Funktionsfähigkeit des Nervensystems eine zentrale Rolle und haben einen Schutzeffekt gegen neurodegenerative Erkrankungen. Dies wird am Beispiel des Morbus Alzheimer und des Morbus Parkinson dargestellt.

 

Morbus Alzheimer

Der Morbus Alzheimer ist die häufigste neurodegenerative Erkrankung und auch die häufigste Demenzerkrankung. Bei etwa 60 Prozent der Demenzerkrankungen handelt es sich um einen Morbus Alzheimer. Alzheimer ist also kein Synonym für Demenz. In Deutschland gibt es derzeit etwa 1,5 Millionen Demenzkranke - mit steigender Tendenz. Für das Jahr 2050 wird mit mehr als 3 Millionen Demenzkranken gerechnet. Etwa 300.000 Menschen in Deutschland sind an Morbus Parkinson erkrankt. Auch diese Zahl steigt zunehmend.

Bei Morbus Alzheimer besteht ein fortschreitender Zerfall der geistigen Leistungsfähigkeit. Die Erkrankung beginnt schleichend. Erste Anzeichen sind meist kleinere Gedächtnisstörungen im Kurzzeitgedächtnis, eine Abnahme der Lern- und Reaktionsfähigkeit, Stimmungsschwankungen, Orientierungsstörungen und Wortfindungsstörungen. Das frühe Stadium der Alzheimererkrankung bezeichnet man als milde kognitive Beeinträchtigung (MCI). Im fortgeschrittenen Stadium bestehen starke Leistungseinschränkungen. Die Berufstätigkeit muss aufgegeben werden, es kommt zu hochgradigen Gedächtnisstörungen und zu einem Verlust des Raum- und Zeitgefühls. Weitere Symptome sind vermehrt Verhaltensstörungen, starke Stimmungsschwankungen und psychiatrische Symptome wie zum Beispiel Halluzinationen. Es entwickelt sich eine zunehmende Pflegebedürftigkeit.

Die Behandlungsmöglichkeiten sind eher begrenzt. Therapieansätze sind eine Abmilderung der Symptome durch Acetylcholinesterase-Hemmer und eine Beeinflussung der Glutamat–Signalübertragung.

 

Morbus Parkinson

Morbus Parkinson ist eine fortschreitende degenerative Erkrankung, vor allem der Substantia nigra mit dem Botenstoff Dopamin. Die Anfangssymptome sind Ungeschicklichkeit in der Feinmotorik, ein kleineres Schriftbild und leiseres Sprechen. Die klassischen Parkinsonsymptome sind: Muskelstarre (Rigor), verlangsamte oder erstarrte Bewegungen, Muskelzittern, Haltungsinstabilität, Maskengesicht, Speichelfluss, Rückenschmerzen und vieles mehr. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung kann sich auch eine Demenz entwickeln. Die Erkrankung ist ursächlich nicht behandelbar, d. h. die Degeneration der Substantia nigra kann nicht gehemmt werden. Die Behandlung der Symptome ist aber recht gut möglich, zum Beispiel durch Medikamente, die die Dopaminwirkung verstärken oder durch Verabreichung von L-Dopa.

Neurodegenerative Erkrankungen unterscheiden sich in ihrem Erscheinungsbild. Es liegen aber durchaus ähnliche Krankheitsmechanismen und auch Risikofaktoren zugrunde. Als Risikofaktoren für Morbus Alzheimer gelten: westlicher Ernährungsstil, Übergewicht, Mikronährstoffmängel, geringer sozialer Austausch, stundenlanges belangloses Fernsehen als Hauptfreizeitbeschäftigung und zunehmende Entfremdung von einer naturgemäßen Lebensweise, zum Beispiel auch Bewegungsmangel. Die Entwicklung der Demenz beginnt mit einer Verminderung der Neubildung von Nervenzellen im Hippocampusbereich.

Als Risikofaktoren für Morbus Parkinson sind anzusehen: ein westlicher Ernährungsstil mit wenig Obst und Gemüse und vielen raffinierten Kohlenhydraten, ein Antioxidantienmangel, ein reichlicher Verzehr von Milchprodukten und eine toxische Belastung durch Pestizide und Schwermetalle. Auch psychischer Dauerstress ist als Risikofaktor anzusehen, ebenso wie eine verminderte Entgiftungskapazität für Umweltgifte. Männer sind von der Erkrankung häufiger betroffen als Frauen.

An der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen sind beteiligt: ein oxidativer und nitrosativer Stress, eine erhöhte Entzündungsaktivität im Gehirn, eine Fehlfunktion der Mitochondrien (dadurch Energiemangel der Nervenzellen), eine erhöhte Homocysteinkonzentration, Excitotoxizität, d. h. gesteigerte Aktivität von Glutamatrezeptoren (dadurch Übererregung der Nervenzellen).

 

Mikronährstofftherapie

Eine gute Versorgung mit Mikronährstoffen ist die Grundvoraussetzung für eine normale Funktionsfähigkeit des Gehirns. Mit einer gezielten Mikronährstofftherapie sind auch viele biochemische Störungen bei neurodegenerativen Erkrankungen behandelbar.

Mikronährstoffe können:

  • den oxidativen Stress vermindern
  • den Energiestoffwechsel der Nervenzellen stabilisieren
  • die Entgiftung von Toxinen verbessern
  • die Nervenerregbarkeit regulieren
  • die Entzündungsaktivität herunterregulieren
  • und vieles mehr.

In der Frühphase der Erkrankung, noch bevor größere Hirnschädigungen eingetreten sind, ist eine Mikronährstofftherapie erfolgversprechend, aber auch zur Prävention.

 

Die Mikronährstofftherapie sollte Teil eines ganzheitlichen vorbeugenden Therapiekonzepts sein. Dazu gehören auch richtige Ernährung, Bewegung und anregende geistige Tätigkeiten.

 

Aminosäuren

Arginin ist erforderlich für die Regulierung der Durchblutung. Eine endotheliale Dysfunktion ist ein wichtiger Faktor für die Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen.

Glutathion ist ein wichtiges Antioxidans und Regulatormolekül im ZNS. Die Glutathionspiegel sind bei neurodegenerativen Erkrankungen häufig vermindert. Die Folgen sind eine mitochondriale Dysfunktion und eine Fehlfaltung von Proteinen.

N-Acetylcystein (NAC) ist die am meisten verwendete Aminosäurenverbindung zur Steigerung der Glutathionsynthese.

Die verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin vermindern möglicherweise das Risiko für eine Alzheimererkrankung.

Taurin ist eine schwefelhaltige Aminosäure mit sehr vielfältigen Eigenschaften. Taurin wirkt zum Beispiel antioxidativ, antientzündlich, blutdruckregulierend.
Die kognitive Leistungsfähigkeit bei älteren Personen korrelierte mit der Taurinaufnahme. L-Dopa verminderte die Taurinkonzentrationen, dadurch kam es zu einer Verschlechterung motorischer Symptome bei Morbus Parkinson.

Tyrosin ist die Vorläufersubstanz für Dopamin. Eine Tyrosin-Supplementierung wirkt aber nur in frühen Stadien der Parkinsonerkrankung. Tyrosin kann die Gedächtnisfähigkeit und die kognitive Leistungsfähigkeit unter Stressbedingungen verbessern.

 

Fettlösliche Vitamine

Vitamin A ist wichtig für verschiedene zelluläre Prozesse im Gehirn, zum Beispiel Differenzierung der Nervenzellen, Neurotransmitterfreisetzung und Gedächtnisbildung. Bei Alzheimerpatienten wurden verminderte Vitamin-A-Spiegel festgestellt. Ein Vitamin-A-Mangel fördert Amyloidablagerungen im Gehirn und beeinträchtigt die Neubildung von Nervenzellen.

Vitamin E ist das wichtigste fettlösliche Antioxidans und schützt die fetthaltigen Moleküle der Nervenzellmembranen. Bei Alzheimerpatienten und bei Patienten mit milder kognitiver Beeinträchtigung sind die Vitamin-D-Spiegel oftmals vermindert. Höhere
Vitamin-D-Spiegel reduzieren das Alzheimerrisiko. Eine gute Vitamin-E-Versorgung hat auch einen Schutzeffekt gegen Morbus Parkinson.

Vitamin D besitzt ausgeprägte Schutzfunktionen für die Nervenzellen des Gehirns. Besonders viele Vitamin-D-
Rezeptoren gibt es im Hippocampus. Der Hippocampus ist wichtig für die Übertragung von Gedächtnisinhalten aus dem Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis. Ein Vitamin-D-Mangel begünstigt Demenz und Morbus Parkinson.

 

Wasserlösliche Vitamine

Vitamin C ist ein wichtiges wasserlösliches Antioxidans. Es ist notwendig für die Neurotransmittersynthese und für die Endothelfunktion. Typisch für neurodegenerative Erkrankungen ist ein ausgeprägter oxidativer Stress. Vitamin C reduziert oxidativen Stress, wirkt antientzündlich und reduziert die Stressantwort des Körpers.

Vitamin B1 ist essenziell für die Energieversorgung der Nervenzellen. Bei neurodegenerativen Erkrankungen ist der Energiestoffwechsel gestört. Ein Vitamin-B1-Mangel ist relativ häufig, da im Organismus nur eine geringe Speicherkapazität besteht. Eine Hochdosis-Vitamin-B1-Therapie ist bei Morbus Parkinson von Nutzen.

Die Vitamine B2 und B3 sind wesentlich für die Mitochondrienfunktion. Eine Vitamin-B2-Therapie verbesserte motorische Symptome bei Parkinsonpatienten. NADH ist ein wichtiges Coenzym, das aus Vitamin B3 gebildet wird. Eine Supplementierung von NADH verbesserte Parkinsonsymptome. Alle Studien mit NADH zeigten eine Milderung der Symptome.

Homocystein ist ein Risikofaktor für Gefäßerkrankungen und für neuropsychiatrische Störungen. Für den Homocysteinabbau und für die Begrenzung des Homocysteinspiegels sind die Vitamine B6, B12 und Folsäure erforderlich. Parkinsonpatienten haben häufig erhöhte Homocysteinspiegel, bedingt durch die Parkinsonmedikamente. Auch bei Morbus Alzheimer bestehen oftmals hohe Homocysteinspiegel. Je höher das Homocystein ist, desto stärker sind die kognitiven Defizite. Ein Vitamin-B12-Mangel begünstigt hirnatrophische Prozesse. Eine gute Vitamin-B6-Aufnahme vermindert das Parkinsonrisiko, und eine niedrige Folsäurezufuhr erhöht das Demenzrisiko.

 

Spurenelemente

Zink spielt eine wichtige Rolle im Neurotransmittermetabolismus. Bei Morbus Parkinson bestehen häufig niedrige Zinkspiegel. Auch bei Morbus Alzheimer wurden mehrfach niedrige Konzentrationen der Spurenelemente, insbesondere von Zink und Eisen, nachgewiesen.

Eisen spielt eine wichtige Rolle für die Hirnleistungs-fähigkeit. Eisen ist erforderlich für die Neurotransmittersynthese, für den Energiestoffwechsel der Nervenzellen, für die Myelinsynthese, für die Nervenimpulsübertragung und vieles mehr. Eisen sollte keinesfalls in Form von Fleisch und Wurst aufgenommen werden. Das Eisen in Fleisch und Wurst kann nämlich neurodegenerative Prozesse beschleunigen.

Bei Alzheimerpatienten wurden auch vergleichsweise niedrige Selenspiegel nachgewiesen. Selen ist ein bedeutsames antioxidatives Spurenelement, das zur Begrenzung von oxidativem Stress eine zentrale Rolle spielt.

 

Fettsäuren

Die Docosahexaensäure (DHA) ist ein wichtiger Bestandteil der Nervenzellmembranen. Die Bedeutung einer Supplementierung von DHA und EPA bei neurodegenerativen Erkrankungen ist noch unklar. Ein Therapieversuch lohnt sich aber auf jeden Fall, wobei Algenölpräparate Fischölkapseln vorzuziehen sind.

 

Vitaminoide

Carnitin spielt eine große Rolle im Energiestoffwechsel, eine Carnitinsupplementierung ist deshalb bei neurodegenerativen Erkrankungen vorteilhaft. Durch Acetyl-L-Carnitin wird die Durchblutung im Gehirn verbessert.

Coenzym Q10 ist ein wesentlicher Bestandteil der Atmungskette in den Mitochondrien und essenziell für die Energiegewinnung. Außerdem ist Coenzym Q10 ein wichtiges fettlösliches Antioxidans. Ein Schutzeffekt gegen neurodegenerative Erkrankungen ist sehr wahrscheinlich.

Fazit:
Eine gute Mikronährstoffversorgung, bereits im mittleren Lebensalter, ist ein wichtiger Schutzfaktor gegen neurodegenerative Erkrankungen. Mikronährstoffe können häufig auch das Voranschreiten neurodegenerativer Erkrankungen verlangsamen und die Hirnleistungsfähigkeit und die Gesamtbefindlichkeit verbessern. Der Mikronährstoffstatus sollte also von Zeit zu Zeit überprüft werden.

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