„Chemobrain“: Wenn das Gehirn durch Chemotherapie Schaden nimmt

kopftuch 320Viele Krebspatienten berichten nach einer überstandenen Chemotherapie über das Auftreten verschiedener Hirnleistungsstörungen wie z. B. verminderte Merkfähigkeit, Gedächtnislücken, eingeschränkte Fähigkeit zum Multi-Tasking, Wortfindungsstörungen, Verlangsamung des Denkens und vieles mehr. Dieser Symptomkomplex wird als „Chemobrain“ bezeichnet. In der medizinischen Fachliteratur auch als „Chemotherapy-related cognitive impairment“ (CICI). „Chemobrain“ tritt sehr häufig auf, wobei die Zahlen erheblich schwanken. Bei Brustkrebspatientinnen wurden in 17 bis 75 Prozent der Fälle nach Chemotherapie neurokognitive Störungen nachgewiesen. Diese Beeinträchtigung kann auch längere Zeit anhalten. Es gibt Zahlen, die von fünf bis zehn Jahren sprechen, andere sogar von mehr als zwanzig Jahren.

Es gibt derzeit noch kein allgemein akzeptiertes Erklärungsmodell für „Chemobrain“ aber bereits zahlreiche neuroradiologische sowie pathobiochemische Erkenntnisse. Mithilfe bildgebender Verfahren wurde nachgewiesen, dass bei Patienten nach Chemotherapie eine Verminderung der Aktivierungsmuster des Gehirns bei Gedächtnisübungen auftrat. Es zeigte sich auch eine Verlangsamung der Hirnaktivität im Präfrontalhirn und im Frontalhirn, außerdem wurden Veränderungen des Glucosestoffwechsels nach Chemotherapie festgestellt.

2016 publizierten Wissenschaftler aus Rumänien, Deutschland und Australien, dass der oxidative Stress bei der Entstehung von "Chemobrain" eine zentrale Rolle spielt. Durch den oxidativen Stress infolge Chemotherapie kommt es zu einer vermehrten Freisetzung des Tumornekrosefaktors alpha (TNF-alpha), der im Gehirn für das Absterben von Nervenzellen sorgt.

Forscher aus Honkong betonen in ihrem Fachartikel vom Februar 2016 die große Bedeutung der Zytokine für die Entstehung von „Chemobrain“. Durch die Chemotherapie kommt es zu einem massiven Anstieg von Entzündungsmediatoren, was letztlich über verschiedene Kaskaden zu einer Störung der epigenetischen Regulation führt. Die Epigenetik spielt eine wichtige Rolle für die Aufrechterhaltung des Langzeitgedächtnisses. Epigenetische Veränderungen betreffen die DNA-Methylierung sowie die Acetylierung der Histone. Diese epigenetischen Veränderungen führen dann zu einer Modulierung der Genexpression, wodurch dann auch die Stoffwechselaktivität und die Nervenimpulsübertragung verändert werden.

Ein weiterer Fachartikel von US-Wissenschaftlern geht von folgender Kausalkette aus: Eine erhöhte Entzündungsaktiviät, oxidativer Stress und psychosozialer Stress bewirken eine mitochondirale Dysfunktion. Daraus ergibt sich ein verminderter zellulärer Energielevel, was dann zu Müdigkeit, kognitiven Störungen und Schmerzen führen kann. Normalerweise bewirkt ein akuter Stress eine vermehrte Freisetzung von Cortisol, wodurch dann die entzündliche Reaktion der weißen Blutzellen vermindert wird. Wenn der Stress aber chronisch wird, führt dies zu einer Herunterregulierung der Glucocorticoidrezeptoren, wodurch es letztlich zu einer verstärkten Immunantwort kommt.

Es ist auch bekannt, dass verschiedene Chemotherapeutika die Mitochondrienfunktion beeinträchtigen. Die US-Wissenschaftler halten die mitochondriale Dysfunktion sozusagen für den Hauptfaktor, der dann neurotoxische Symptome auslöst. Daraus ergibt sich dann auch die Notwendigkeit, die Mitochondrien durch entsprechende Wirkstoffe zu schützen.


Referenzen

  • Lacourt TE, Heijnen CJ:  Mechanisms of Neurotoxic Symptoms as a Result of Breast Cancer and Its Treatment: Considerations on the Contribution of Stress, Inflammation, and Cellular Bioenergetics; Curr Breast Cancer Rep. 2017;9(2):70-81. doi: 10.1007/s12609-017-0245-8
  • Gaman AM, Uzoni A et al.: The Role of Oxidative Stress in Etiopathogenesis of Chemotherapy Induced Cognitive Impairment (CICI)-"Chemobrain"; Aging Dis. 2016 May 27;7(3):307-17.
  •  Xiao-Min Wang, Brian Walitt et al.: Chemobrain: A critical review and causal hypothesis of link between cytokines and epigenetic reprogramming associated with chemotherapy; Cytokine. 2015 Mar; 72(1): 86–96.


Kommentar:
Bei allen erwähnten Phänomenen, oxidativem Stress, Neuroinflammation, mitochondrialer Dysfunktion, epigenetischen Veränderungen und bei psychosozialem Stress, kann die Mikronährstoffmedizin eine wichtige Hilfe leisten, da viele Mikronährstoffe z. B. antientzündlich wirken und epigenetische Veränderungen korrigieren können. Es gibt auch zahlreiche antioxidative Mikronährstoffe, die den oxidativen Stress begrenzen können. Die Mitochondrienfunktion kann durch eine gezielte Supplementierung von Mikronährstoffen unterstützt und verbessert werden.

Bei „Chemobrain“ empfiehlt sich zunächst eine umfangreiche Mikronährstoffanalyse. Auf der Basis der gemessenen Laborwerte ist dann eine gezielte und individuelle Supplementierung möglich.