Depressionen und oxidativer Stress

Unterschiedliche Faktoren sind an der Pathophysiologie depressiver Erkrankungen beteiligt, z.B. Veränderungen des Neurotransmittermetabolismus und des Neuroendokrinums sowie der neuralen Plastizität. Sehr häufig findet man bei depressiven Patienten auch erhöhte Konzentrationen proinflammatorischer Zytokine. Diese können wiederum eine verstärkte Freisetzung von CRH, ACTH und Cortisol bewirken und z.B. den Tryptophanabbau beschleunigen. Eine Aktivierung der Mikrogliazellen im Gehirn ist mit einer erhöhten NO-Produktion assoziiert, wodurch vermehrt der Cofaktor Tetrahydrobiopterin verbraucht wird, der dann nicht mehr in vollem Umfang für die Bildung der Neurotransmitter zur Verfügung steht.

Bei depressiven Patienten
und auch bei Patienten mit anderen affektiven Störungen
sind sehr häufig Veränderungen des Antioxidantienstatus nachweisbar,
wie folgende Studien zeigen.

  • 2007 wurde eine Studie türkischer Wissenschaftler publiziert, die bei 96 Patienten mit einer depressiven Episode (MDD) verschiedene Parameter des oxidativen Stresses untersuchten. Die Patienten wurden mit einer Gruppe gesunder Kontrollpersonen verglichen. Die Konzentrationen von Malondialdehyd im Blutplasma und die Oxidationsempfindlichkeit der Erythrozyten waren in der Patientengruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Ebenso war die SOD-Aktivität erhöht. Es bestand ein positiver Zusammenhang zwischen der Schwere des Erkrankungsbildes und der SOD-Aktivität. Eine sechswöchige antidepressive Therapie bei den MDD-Patienten veränderte den Antioxidantienstatus nicht.

  • In einer Studie der Universität Würzburg wurden die Konzentrationen von Mn-SODs und
    Cu/Zn-SODs im Hippocampus und im Frontalhirn von verstorbenen depressiven Patienten bestimmt. Als Vergleich dienten Hippocampus- bzw. Frontalhirnproben von Verstorbenen, die an keiner neuropsychiatrischen Störung gelitten hatten. Bei den Frontalhirnproben der depressiven Patienten waren die Konzentrationen der Cu/Zn-SODs signifikant erhöht, was eindeutig dafür spricht, dass oxidativer Stress in der Pathophysiologie der Depressionen eine Rolle spielt.

  • Polnische Wissenschaftler untersuchten die Apoptoserate von Leukozyten bei 29 MDD-Patienten und 30 gesunden Versuchspersonen. Außerdem wurden folgende Parameter bestimmt: ROS, SODs, Katalasen, Totale Peroxidase, TNF-Alpha und Interleukin-6. Die Ergebnisse zeigten, dass bei depressiven Patienten eine beschleunigte Apoptose von CD4+ T-Lymphozyten und neutrophilen Granulozyten vorliegt. Die Leukozyten der MDD-Patienten produzierten mehr ROS, außerdem wurde ein signifikanter Anstieg der Serumaktivität von SODs, Katalasen und Peroxidase festgestellt. Zwischen der Apoptoserate und der Bildung von Superoxidanionen bestand eine positive Korrelation. Das Ergebnis dieser Studie zeigte, dass der Zelltod von Immunzellen die Infektempfindlichkeit der Patienten beeinflusst und dass somit die Gabe von antioxidativen Wirkstoffen bei Patienten mit Depressionen vorteilhaft sein könnte.

  • Im Mai 2008 erschien eine Studie türkischer Wissenschaftler, die bei 18 Patienten mit sozialer Phobie und bei 18 Kontrollpersonen verschiedene Parameter des antioxidativen Systems bestimmten: Malondialdehyd, SODs, Glutathionperoxidase und Katalasen. Außerdem wurde bei allen Patienten der Liebowitz-Social-Anxiety-Scale (LSAC) durchgeführt. Die Konzentrationen von Malondialdehyd, SOD, Glutathionperoxidase und Katalasen waren in der Patientengruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Außerdem bestand eine positive Korrelation zwischen den LSAC-Scores und diesen Laborparametern. Darüber hinaus korrelierte die Dauer der Erkrankung mit den Parametern des antioxidativen Systems. Die Resultate dieser Studie lassen vermuten, dass zwischen der sozialen Phobie und Störungen des antioxidativen Systems eine Beziehung besteht.

  • Im September 2008 wurde von der University of Melburne ein Review-Artikel zum Thema oxidativer Stress und psychiatrische Störungen publiziert. Die Arbeit untersuchte die Evidenz für einer pathophysiologischen Rolle des oxidativen Stresses bei psychiatrischen Störungen. Die meisten diesbezüglichen Daten liegen bei der Schizophrenie vor, bei der oxidativer Stress sich unbestritten als ein wichtiger Krankheitsmechanismus erweist. Bei Depressionen und bipolaren Störungen besteht aufgrund von biochemischen, genetischen und pharmakologischen Untersuchungen und einer klinischen Studie eine solides Fundament für die oxidative Stress-Hypothese.

  • Ebenfalls im September 2008 wurde eine Studie des Mental Health Research Institute of Victoria publiziert, in der die Wirkung von N-Acetylcystein auf die depressive Symptomatik von Patienten mit bipolaren Störungen überprüft wurde. Ausgangsüberlegung der Studie war, dass sowohl die Depression als auch die bipolare Störung durch eine Glutathionverarmung verschlimmert werden. N-Acetylcystein ist bekanntlich eine Vorläufersubstanz für die Glutathionbildung. Die Untersuchung wurde als randomisierte Doppelblindstudie an 75 Personen mit bipolaren Störungen durchgeführt. Zur üblichen Psychopharmakamedikation wurde 2 x täglich ein Gramm NAC verabreicht, gefolgt von einer vierwöchigen washout-Phase.

    Durch die NAC-Supplementierung kam es zu einer deutlichen Besserung verschiedener Testparameter, die jedoch nach der Auswaschphase verschwand. Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, dass NAC die Wirksamkeit einer Psychopharmakatherapie deutlich verbessert.

  • Im Februar 2009 wurde von türkischen Wissenschaftlern eine Studie veröffentlicht, in der verschiedene Parameter des oxidativen Stresses bei Patienten mit Zwangsstörungen bestimmt und mit den Werten gesunder Kontrollpersonen verglichen wurden. Die Parameter waren Katalasen, Malondialdehyd, Selen und Glutathionperoxidase. Die Studie zeigte, dass zwischen oxidativem Stress und Zwangsstörungen eine signifikante Relation bestand.

Kommentar:
Aus Sicht der Orthomolekularen Medizin zeigen die Ergebnisse dieser Studien, dass bei affektiven Störungen unbedingt der Antioxidantienstatus überprüft und gegebenenfalls eine gezielte Therapie mit antioxidativen Mikronährstoffen durchgeführt werden sollte.

Referenz:

  1. Sarandol A et al.: Major depressive disorder is a accompanied with oxidative stress: short-term antidepressant treatment does not alter oxidative-antioxidative systems; Hum Psychopharmacol; 2007 Mar; 22(2): 67-73
  2. Michel TM et al.: Evidence for oxidative stress in the frontal cortex in patients with recurrent despressive disorder - a postmortem study; Psychiatry Res. 2007 May 30; 151(1-2): 145-50
  3. Szuster-Ciesielska A et al.: Accelerated apoptosis of blood leukocytes and oxidative stress in blood of patients with major depression; Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry. 2008 Apr 1;32(3): 686-94
  4. Atmaca M et al.: Antioxidant enzyme and malondialdehyde levels in patients with social phobia; Psychiatry Res. 2008 May 30; 159(1-2): 95-100
  5. Ng F et al.: Oxidative stress in psychiatric disorders: evidence base and therapeutic implications; Int J Neuropsychopharmacol. 2008 Sep; 11(6): 851-76
  6. Berk M et al.: N-acetyl cysteine for depressive symptoms in bipolar disorder - a double-blindrandomized placebo-controlled trial; Biol Psychiatry. 2008 Sep 15; 64(5): 468-75
  7. Ozdemir E et al.: Serum selenium and plasma malondialdehyde levels and antioxidant enzyme activities in patients with obsessive-compulsive disorder; Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry. 2009 Feb 1; 33(1): 62-5
  8. Weitere Literatur beim Verfasser.

Autor:
Dr. med. Hans-Günter Kugler, Juni 2009

 

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