Burn-out – ist das die moderne Wohlstandserkrankung? Nach Befragungen einzelner Berufsgruppen sind derzeit 30 bis 35 % aller deutschen Lehrer, 40 bis 60 % der Pflegekräfte und 15 bis 30 % der Ärzte ausgebrannt. Besonders besorgniserregend sieht es übrigens, so ein DAK-Report, bei den Berufsschullehrern aus: Mehr als jeder dritte Berufsschullehrer (38 %) ist gefährdet, psychisch krank zu werden.
Der Begriff Burn-out beschreibt die vielfältigen Symptome eines psychischen und physischen Erschöpfungszustandes, die von Betroffenem zu Betroffenem variieren. Meist besteht ein Gefühl der Verausgabung und Müdigkeit, eine reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit und zunehmende Distanz zu den Menschen, mit denen man im Berufsleben zu tun hat. Dies ist begleitet von verschiedenen körperlichen Symptomen wie Magen-Darm-Problemen, häufigen Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schlaflosigkeit und erhöhter Infektanfälligkeit. Auslöser für Burn-out ist nach heutiger Vorstellung am ehesten ein chronischer Stresszustand, wobei für die Betroffenen keine Lösung oder Wiederherstellung seines seelischen Gleichgewichts möglich scheint.
Entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich bei dem Burn-out-Syndrom um ein aus psychiologischer und psychiatrischer Sicht nicht klar definiertes Krankheitsbild, und es gibt im Einzelfall erhebliche Abgrenzungsprobleme zu psychiatrischen Störungen wie Depression, Angsterkrankung etc.
Bei Burn-out kommen ganz unterschiedliche Therapiestrategien in Frage, wobei eine Neuordnung des Lebensstils sicherlich eine wesentliche Rolle spielt; darüber hinaus können eine Verhaltenstherapie und weitere psychiatrische bzw. psychotherapeutische Methoden hilfreich sein.
Neben der sicherlich vorrangigen Neuorientierung des Lebensstils, einschließlich gesunder Ernährung und mehr Bewegung, ist eine Therapie mit Mikronährstoffen in vielen Fällen sinnvoll, da diese die psychische Befindlichkeit und Stresstoleranz verbessern können, z.B. durch Beeinflussung des Neurotransmittermetabolismus. Außerdem können Mikronährstoffe zur Entkrampfung und muskulären Entspannung beitragen sowie zu einer Verbesserung des zellulären Energiestoffwechsels. Letzterer ist insbesondere bei Erschöpfungszuständen von Bedeutung.
Auch bei der Mikronährstofftherapie von Burn-out gilt der Grundsatz, dass vor einer Supplementierung eine entsprechende diagnostische Abklärung in Form einer Mikronährstoffanalyse im Blut vorgenommen werden sollte.
Hilfreiche Mikronährstoffe bei Burn-out
Glycin
Glycin ist eine Aminosäure mit vielfältigen Eigenschaften; u.a. wirkt sie als inhibitorischer Neurotransmitter an Glycinrezeptoren im Rückenmark und Hirnstamm. Glycinsupplemente haben deshalb eine entspannende und entkrampfende Wirkung auf die Muskulatur. Glycin kann auch bei Panikattacken hilfreich sein, weil es offensichtlich die Freisetzung von Noradrenalin im Gehirn reduzieren kann.
Tryptophan
Tryptophan ist die Ausgangssubstanz für die Bildung des Neurotransmitters Serotonin, der für die psychische Befindlichkeit des Menschen bedeutsam ist. Es ist z.B. bekannt, dass ein Serotoninmangel häufig mit Feindseligkeit, aggressivem Verhalten, Depressionen und anderen stressauslösenden Gemütszuständen assoziiert ist. Ein Serotoninmangel kann eine Vielzahl körperlicher Beschwerden verursachen oder mitverursachen, die man meist als psychisch bedingt einstuft, z.B. Kopfschmerzen, Colon irritabile, Magen-Darm-Beschwerden, Schwindel, Kreislaufstörungen u.a.m.
Erhöhte Cortisolspiegel beschleunigen den Abbau von Tryptophan, so dass bei Stresszuständen für eine ausreichende Serotonin-Synthese höhere Tryptophandosen erforderlich sind.
Tyrosin
Tyrosin ist die Ausgangssubstanz für die Bildung der Katecholamine und Schilddrüsenhormone. Eine Tyrosinsupplemtierung kommt besonders dann in Frage, wenn durch chronischen Stress ein Erschöpfungszustand eingetreten ist. Durch die Einnahme von Tyrosin kann häufig eine Verbesserung von Stimmung, Hirnleistungsfähigkeit und psychischer Belastbarkeit erreicht werden. Bei Depressionen kann sowohl eine Supplementierung von Tryptophan als auch von Tyrosin hilfreich sein.
Vitamin C
Vitamin C ist an der Synthese der Katecholamine, der Steroidhormone und verschiedener Neuropeptide beteiligt; insbesondere ist der Vitamin-C-Bedarf bei einer vermehrten Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin drastisch erhöht. Eine unzureichende Vitamin-C-Versorgung führt zu einer reduzierten Stresstoleranz. In einer Studie der Universität Trier konnte nachgewiesen werden, dass nach einer hochdosierten Vitamin-C-Supplemenierung die körperlichen Stressreaktionen vermindert ausfallen. Es kam zu einem geringeren Blutdruckanstieg nach psychischem Stress, außerdem normalisierten sich die Cortisolkonzentrationen im Speichel wesentlich schneller als in der Kontrollgruppe. Vitamin C ist das wichtigste wasserlösliche Antioxidans und spielt deshalb eine bedeutende Rolle für den antioxidativen Schutz des Gefäßendothels. Entzündliche Reaktionen entstehen häufig aufgrund einer Verschiebung des zellulären Redoxpotentials in den oxidativen Bereich. Auch dieser Entwicklung vermag Vitamin C vorbeugend entgegenzutreten.
Coenzym Q10/ Carnitin
Beide Vitaminoide sind für die Energiegewinnung im Zellstoffwechsel erforderlich. Durch eine Supplementierung dieser Substanzen lassen sich Symptome wie Erschöpfung, Leistungsschwäche und Müdigkeit häufig bessern. Sie sind von großer Bedeutung für den Energiestoffwechsel des Herzmuskels und schützen die Gehirnzellen gegen die Schädigung vor freien Radikalen. Die körpereigene Coenzym-Q10-Synthese nimmt mit zunehmendem Lebensalter deutlich ab.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Mikronährstoffe über ein erhebliches präventives und therapeutisches Potential zur Bewältigung von Stresszuständen verfügen. Insbesondere in der heutigen Zeit, in der psychosoziale Stress mit all seinen Folgen immer mehr zunimmt, ist die Orthomolekulare Medizin eine logische und sinnvolle Therapiemaßnahme.
Magnesium
Magnesium ist von zentraler Bedeutung für die Behandlung stressbedingter Beschwerden, denn es setzt die Erregbarkeit von Muskeln und Nerven herab und hat eine entkrampfende Wirkung; es wird auch für die Stressabschirmung des Herz-Kreislauf-Systems benötigt. Eine Magnesiumsupplementierung kann das Risiko für Herzrhythmusstörungen vermindern; sie erweitert die koronaren und peripheren Arterien und wirkt somit blutdrucksenkend. Die unter Stress freigesetzten Katecholamine reduzieren die intrazelluläre Magnesiumkonzentration, so dass bei Stresszuständen generell ein höherer Magnesiumbedarf vorliegt.
Magnesium ist hilfreich bei zahlreichen psychovegetativ bedingten Beschwerden wie Nervosität, Konzentrationsstörungen, Migräne, Herzjagen und Beklemmungsgefühl. Im Gehirn ist Magnesium ein NMDA-Rezeptor-Antagonist. Exitatorische Aminosäuren, z.B. Glutatmat und Aspartat, wirken über diesen Rezeptor und erhöhen die Erregbarkeit der Nervenzellen.
Außerdem ist Magnesium für den Energiestoffwechsel jeder Körperzelle unerlässlich, weshalb es auch bei Burn-out und anderen Erschöpfungszuständen entsprechende Symptome bessern kann.
Vitamine B6, B12, Folsäure
Alle drei Vitamine sind für den Neurotransmitterstoffwechsel erforderlich und werden für den Homocysteinabbau benötigt. Bereits leicht erhöhte Homocysteinspiegel können zu Hirnleistungsstörungen und psychischen Befindlichkeitsstörungen führen. Außerdem steigt das Risiko für Gefäßerkrankungen. Bei depressiven Patienten sind die Konzentrationen dieser Vitamine häufig vermindert oder suboptimal. Eine Supplementierung mit diesen Vitaminen kann eine depressive Stimmungslage verbessern und die Hirnleistungsfähigkeit erhöhen
Autor:
Dr. med. Hans-Günter Kugler, Februar 2007