Anämie und Mikronährstofftherapie

anaemie

 

Viele Menschen verstehen unter Anämie eine Verminderung der Zahl der roten Blutkörperchen. Dies ist aber nicht korrekt. Das maßgebliche Kriterium für eine Anämie ist die Hämoglobinkonzentration und die Konzentration des Hämatokrits, für die es alters- und geschlechtsspezifische Referenzbereiche gibt. Wenn die gemessenen Werte unterhalb des Referenzbereiches liegen, liegt eine Anämie vor.

Die Zahl der Erythrozyten, also der roten Blutkörperchen, korreliert nicht immer mit dem Hämoglobin (Hb) und ist deshalb kein empfindlicher Parameter für die Erfassung einer Anämie. Bei einer Eisenmangelanämie kann zum Beispiel die Zahl der Erythrozyten noch normal sein, bei bereits erniedrigtem Hb.

Über 80 Prozent aller Anämien werden durch einen Eisenmangel oder durch chronische Erkrankungen verursacht. Anämie ist keine Diagnose, sondern ein Symptom, deshalb muss immer die Grunderkrankung gesucht werden. Es muss aber auch die Versorgung mit Mikronährstoffen abgeklärt werden, weil Mikronährstoffe am Eisenstoffwechsel und an der Bildung der roten Blutkörperchen beteiligt sind.



Eisenmangelanämie

Eine Eisenmangelanämie ist definiert als eine Anämie bei vermindertem Gesamteisenbestand im Körper. Hierbei ist sowohl das Hämoglobin wie auch die Ferritinkonzentration vermindert. Der Nachweis einer Eisenmangelanämie ist beweisend für einen Eisenmangel. Ein normales rotes Blutbild hingegen ist kein Beweis dafür, dass eine ausreichende Eisenversorgung besteht. Ein Eisenmangel ist sehr viel häufiger als eine Eisenmangelanämie und kann sich in vielfältigen Symptomen zeigen, wie zum Beispiel Hirnleistungsstörungen, psychische Befindlichkeitsstörungen, Energiemangel verminderte Immunkompetenz, Beeinträchtigung der Kollagensynthese und vieles mehr.

Ein Eisenmangel kann entstehen durch eine mangelhafte Eisenzufuhr, eine ungenügende Eisenresorption, einen gesteigerten Eisenbedarf sowie durch erhöhte Eisenverluste. Die häufigsten Ursachen für Eisenverluste in Deutschland sind gastrointestinale sowie urogenitale Blutungen. Frauen im gebärfähigen Alter haben natürlich infolge der Monatsblutungen ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Eisenmangel.

 

Anämie aufgrund chronischer Erkrankungen

Die zweithäufigste Anämieform nach der Eisenmangelanämie ist die Anämie bei chronischen Erkrankungen. Zu Letzteren zählen:

Kennzeichnend für die Anämie bei chronischen Erkrankungen ist eine Störung der Bildung der roten Blutkörperchen durch proentzündliche Zytokine. Durch die Zytokine wird die Homöostase des Eisenstoffwechsels gestört. Eine Schlüsselrolle hierbei spielt das Hormon Hepcidin. Erhöhte Hepcidin-Konzentrationen vermindern die Eisenaufnahme im Darm und hemmen die Eisenfreisetzung aus verschiedenen Zellen, sodass insgesamt weniger Eisen für die Bildung roter Blutkörperchen zur Verfügung steht.

Megaloblastäre Anämie

Eine weitere Form der Anämie sind die megaloblastären Anämien, die durch einen Mangel an Vitamin B12 und/ oder Folsäure ausgelöst werden. Hierbei kommt es zu einer DNA-Synthesestörung und Kernreifungsstörung mit dem Auftreten sogenannter Megaloblasten. Diese sind ungewöhnlich große kern- und hämoglobinhaltige Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen.

 

Hämolytische Anämien

Außerdem gibt es hämolytische Anämien, bei denen die Überlebenszeit der roten Blutkörperchen bei gesteigertem Abbau verkürzt ist. Hämolytische Anämien können durch viele unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden, zum Beispiel durch Membrandefekte der roten Blutkörperchen oder durch physikalische und chemische Schäden. Zu erwähnen sind auch Medikamente oder krankhafte Immunprozesse.

  • Bei den meisten Anämien handelt es sich um eine erworbene Blutarmut.

  • Bei der Abklärung der Ursachen ist natürlich die Frage entscheidend, ob dem Organismus alle für die Blutbildung erforderlichen Mikronährstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

  • Bei einer Eisenmangelanämie wird es natürlich in erster Linie darum gehen, den Eisenstatus zu verbessern. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass der Eisenstoffwechsel mit vielen anderen Mikronährstoffen zusammenhängt.         


 

Anämie: Welche Mikronährstoffe sind relvant?


Vitamine bei Anämie


Vitamin B2

Vitamin B2 spielt eine wichtige Rolle für die Bildung der roten Blutkörperchen. Vitamin B2 verbessert die Eisenaufnahme und die Mobilisierung von Ferritin aus verschiedenen Geweben. Wissenschaftler aus Australien und China fanden eine signifikante Interaktion zwischen Vitamin B2 und Eisenaufnahme. Bei einem niedrigen Vitamin-B2-Status war eine höhere Eisenaufnahme zur Vermeidung einer Anämie nötig.

Vitamin B6

Vitamin B6 ist für die Hämoglobinsynthese erforderlich. Ein Vitamin-B6-Mangel kann deshalb auch Ursache eine Anämie sein. Wissenschaftler aus Japan empfahlen bei Abklärung einer Anämie in der Schwangerschaft auch Vitamin B6 zu bestimmen.

Vitamin B12

Wie bereits erwähnt, ist eine megaloblastäre Anämie ein typisches klinisches Zeichen eines Vitamin-B12-Mangels. Eine Unterversorgung mit Vitamin B12 oder Folsäure führt zu einer verringerten Bildung von Tetrahydrofolsäure (THF), was zu einer Störung der DNA-Synthese und zur Bildung sehr großer roter Blutkörperchen führt.

Vitamin C

Auch Vitamin C spielt eine wichtige Rolle zur Vermeidung oder Behandlung einer Anämie. Es erhöht die Bioverfügbarkeit von Eisen aus Nahrungsmitteln. Vitamin C reduziert Eisen(III) zu Eisen(II), was die Eisenresorption aus dem Darm begünstigt.

Vitamin A

Auch Vitamin A hat einen Einfluss auf den Eisenstoffwechsel. 2018 wurde eine Metaanalyse über den Effekt einer Vitamin-A- Supplementierung auf den Eisenstatus publiziert. Die Metaanalyse zeigte, dass eine Vitamin-A-Supplementierung im Vergleich zu Placebo das Anämierisiko um 26 Prozent senkte und den Hämoglobinspiegel erhöhte. Allein eine Vitamin-A-Supplementierung kann also das Risiko für eine Anämie vermindern.

Vitamin D

In einigen Studien zeigte sich auch ein Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D-Status und dem Eisenstatus. In einer US-amerikanischen Studie war ein suboptimaler Vitamin-D-Status mit einem erhöhten Risiko für einen Eisenmangel assoziiert. Forscher aus der Türkei fanden bei Kindern mit einer Eisenmangelanämie besonders häufig einen Vitamin-D-Mangel.
Türkische Forscher konnten auch nachweisen, dass ein Vitamin-D-Mangel der Mütter mit einem erhöhten Risiko für Eisenmangel oder Eisenmangelanämie bei ihren Kindern im Alter von 6 Monaten bis fünf Jahren assoziiert war. Vitamin D ist ein Regulatormolekül für den Hepcidinspiegel. Dadurch ist die Eisenaufnahme auch in einem gewissen Umfang abhängig vom Vitamin-D-Spiegel.

 

Spurenelemente bei Anämie


Zink

Zink ist ein sehr wichtiges Spurenelement und Cofaktor von über 300 Enzymen. Zink ist für die Hämbiosynthese erforderlich, dadurch besteht ein Zusammenhang zum Eisenstoffwechsel.
Wissenschaftler aus Guatemala publizierten im Oktober 2019, dass ein Zinkmangel mit Anämie bei Kindern assoziiert war. Wissenschaftler aus Ägypten fanden bei Patienten mit Eisenmangelanämie niedrigere Zinkkonzentrationen im Vergleich zu Kontrollpersonen. Tenor ihrer Publikation war, dass eine Kombination aus Eisen und Zink besonders bei Patienten mit schwerer epithelialer Dysfunktion einer Monotherapie mit Eisen vorzuziehen ist.

Kuper

Bei einer Anämie sollte auch an einen Kupfermangel gedacht werden. Kupfer wird für die Hämoglobinsynthese und für die Eisenoxidation benötigt. Ceruloplasmin enthält 80 bis 95 Prozent des Kupfers im Serum und ist notwendig für die Oxidation von Eisen(II) zu Eisen(III), wodurch Eisen erst transportfähig gemacht wird. Auch das Enzym Hephaestin ist kupferhaltig und wird für den Eisentransport im Darm benötigt.

Eisen

Da die Eisenmangelanämie die häufigste Anämieform ist, ist natürlich bei Anämien der Eisenstatus von größter Bedeutung. Ca. 750 Millionen Menschen weltweit leiden an einer Eisenmangelanämie. Rund 2 Milliarden Menschen sind von einem Eisenmangel betroffen. Ein normales rotes Blutbild ist also keinesfalls ein Ausschlusskriterium für einen Eisenmangel.
Ein sinnvoller Parameter zur Beurteilung des Eisenstatus ist der Ferritinwert, bei dem Konzentrationen von über 100 µg/Liter anzustreben sind. Der Ferritinwert als diagnostischer Marker der Eisenversorgung ist aber bei sogenannten Akutphasenreaktionen, d. h. Entzündungen und Infekten, nicht brauchbar, da Ferritin ein Akutphasenprotein darstellt. In diesen Fällen ist der lösliche Transferrinrezeptor der geeignete Messwert zur Beurteilung der Eisenversorgung.

Anämien bei chronischen Erkrankungen gehen meist mit einer erhöhten Entzündungsaktivität des Stoffwechsels einher, auch Hepcidin ist häufig erhöht. Deshalb ist eine orale Eisentherapie bei Anämien bei chronischen Erkrankungen oft unbefriedigend, da die Eisenaufnahme aus dem Darm deutlich reduziert ist. In diesen Fällen sollten Eiseninfusionen bevorzugt werden. Durch Eiseninfusionen ist auch eine sehr viel schnellere Besserung des Eisenstatus zu erreichen als durch eine orale Eisentherapie.

 

Aminosäuren bei Anämie


Glycin

Die Aminosäure Glycin ist eine Ausgangssubstanz für die Hämoglobinsynthese und auch Ausgangssubstanz für die Bildung von Glutathion. Glutathion spielt für den intrazellulären Eisenstoffwechsel eine zentrale Rolle. Wegen seiner hohen Konzentration im Zellinneren ist Glutathion sozusagen der beste Ligand für zweiwertige Eisenionen.

Glutathion/ Cystein

Glutathion hat in den Erythrozyten eine herausragende Bedeutung. Es sorgt für die Aufrechterhaltung reduzierender Bedingungen. Glutathion reduziert reaktive Sauerstoffverbindungen. Glutathion reduziert Methämoglobin zu Hämoglobin.
Die Aminosäure Cystein ist eine wichtige Ausgangssubstanz für die Glutathionsynthese.

Histidin

Histidin ist aufgrund seiner chemischen Eigenschaften ein wichtiger Ligand für Metallionen und spielt deshalb für die Bindung von Eisen im Hämoglobinmolekül eine große Rolle.

­Prinzipiell kann auch eine reduzierte Verfügbarkeit der Aminosäuren eine Anämie begünstigen, entweder durch Beschleunigung des Erythrozytenabbaus oder durch eine Verminderung der Hämoglobinsynthese.

 

 

Bestimmung des Mikronährstoffstatus bei Anämie

Um herauszufinden, welche Mikronährstoffe dem Anämie-Patienten fehlen, ist eine Mikronährstoffanalyse notwendig. Auf der Basis der Laborwerte können dann dem Anämie-Patienten gezielt die fehlenden Mikronährstoffe zugeführt werden. Bei Anämie hat sich die Durchführung des Großen Eisenprofils bewährt. In dieser Mikronährstoffuntersuchung werden zahlreiche Mikronährstoffe und Eisenparameter bestimmt, die mit dem Eisenstoffwechsel in Zusammenhang stehen.

 

Referenzen: