Was gibt es Neues? (Teil1)

Aminosäuren sind die elementaren Bausteine der Proteinsynthese. Darüber hinaus haben verschiedene Aminosäuren auch besondere Aufgaben im Stoffwechsel, z.B. als Neurotransmitter (Glycin, Glutamat, Aspartat) oder als Vorstufen für die Neurotransmittersynthese (Tryptophan, Tyrosin, Serin). Aminosäuren werden für die Bildung von Signalmolekülen (NO), für die antioxidative Kapazität, für hepatische Entgiftungsreaktionen (sowohl Xenobiotika- als auch Ammoniakentgiftung), für die Regulierung der Muskelproteinmasse und vieles mehr benötigt. Jeden Monat erscheinen zahlreiche Fachartikel über Aminosäuren; der überwiegende Teil beschäftigt sich mit biochemischen und molekularbiologischen Fragestellungen. Verschiede Studien bringen aber auch interessante und wertvolle Erkenntnisse, die sich nutzbringend im Rahmen eines orthomolekularen Therapiekonzepts anwenden lassen.

Im ersten Teil des Artikels werden Ergebnisse neueren Datums für die Aminosäuren Citrullin, Glutamin, Glutaminsäure, Glycin, Histidin, Lysin, Ornithin und für die verzweigtkettigen Aminosäuren vorgestellt. Weitere Aminosäuren werden dann im zweiten Teil dieses Artikels behandelt.

 

Citrullin

Citrullin ist ein Metabolit des Harnstoffzyklus, ist also an der Ammoniakentgiftung beteiligt. Die Citrullinkonzentration gilt auch als geeigneter Marker für die Beurteilung der funktionellen Epithelzellmasse des Dünndarms, da die Citrullinbildung zu den wichtigsten Stoffwechselleistungen der Enterozyten gehört. Neuerdings gibt es Hinweise aus verschiedenen Studien, dass eine Supplementierung von Citrullin auch eine sehr gute Möglichkeit darstellt, die NO-Verfügbarkeit zu verbessern.

Wissenschaftler der Uniklinik Hamburg-Eppendorf konnten nachweisen, dass die Einnahme von Citrullin dosisabhängig die Plasma-Arginin-Konzentration und NO-Bildung erhöht. Citrullin erhöhte die Arginin-Plasmaspiegel sogar effektiver als Arginin selbst. Im Gegensatz zu Arginin unterliegt Citrullin nicht dem Abbau durch die intestinale Arginase. (1)

In einer Studie der Universität Paris wurden die pharmakokinetischen Eigenschaften von Citrullin an acht Versuchspersonen untersucht. Bis zu einer Dosis von 10 g Citrullin täglich kam es auch zu einem linearen Anstieg der Argininkonzentration. Bei einer Dosis von 15 g Citrullin akkumulierte Citrullin im Plasma, und der Anstieg des Arginins fiel geringer aus als erwartet. Wahrscheinlich dürfte bei 15 g Citrullin die Kapazitätsgrenze für die renale Citrullin-Arginin-Konversion überschritten sein. (2)

Erwähnenswert ist auch, dass Wassermelonen gute Quellen für Citrullin darstellen und somit eine Art funktional-food zur Verbesserung der Argininversorgung sind.

 

Glutamin

In zwei Publikationen der Universität von Nantes ging es um den Effekt einer Glukocortikoid-Therapie auf den Glutaminstoffwechsel. Eine Glutamindepletion erhöhte die Abbaurate der verzweigtkettigen Aminosäuren und die Proteinabbaurate. Glukocortikoide erhöhten auch im Gastroindestinalbereich deutlich den Glutaminbedarf. Dies sollte besonders bei langfristiger Glucocorticoidbehandlung beachtet werden. (3,4)

Die Glutaminbildung und Glutaminverwertung sind eng mit dem Energiestoffwechsel und der physischen Aktivität verbunden. In einer Studie der Universität von Triest wurde untersucht, wie sich Bettruhe auf die Glutaminkonzentration auswirkt. Dabei zeigte sich, dass Bettruhe die Plasmaglutaminkonzentration signifikant verminderte. Eine Aminosäuren-Infusion verbesserte die Glutaminneusynthese und die Plasmaglutaminkonzentration unter allen Bedingungen. Die Autoren schlossen daraus, dass körperliche Inaktivität mit einer verminderten Glutaminverfügbarkeit assoziiert ist, weil die körpereigene Glutaminsynthese herunterreguliert wird. (5)

 

Glutaminsäure

Wissenschaftler der japanischen Gunma Universität untersuchten den Einfluss von Glutamat auf die Entleerungsgeschwindigkeit des Magens. Dazu erhielten 10 Versuchspersonen verschiedene Testmahlzeiten mit und ohne Natriumglutamat. Die Zugabe von Natriumglutamat zu einer proteinreichen Mahlzeit beschleunigte signifikant die Magenentleerung, hatte aber keinen Einfluss bei kohlenhydratbetonten Mahlzeiten oder bei einer kalorienfreien Flüssigkeitszufuhr. (6)

 

Glycin

Es gibt zunehmend Hinweise, dass Glycin immunmodulatorische Effekte aufweist, so kann Glycin z.B. in Kupferzellen die Cytokinproduktion vermindern, indem es den LPS-Signalweg blockiert. Neuere Daten zeigen, dass Glycin auch auf das Wachstum und die Migration von Endothelzellen einen hemmenden Effekt hat. Die Blockade erfolgt über die Öffnung von Chloridkanälen, die zu einer Hyperpolarisation der Zellmembran führt. Glycin kann also nicht nur für die Behandlung einer Entzündung eingesetzt werden, sondern könnte auch für die Behandlung von Tumorerkrankugnen in Frage kommen.

Übergewicht und Typ-2-Diabetes gehen mit einer „low-grade-inflammation“ einher, bei der Adiponektin herunterreguliert ist; Entzündungsmediatoren wie Interleukin-6, TNF-Alpha und CRP sind hochreguliert. Adiponektin ist ein Peptidhormon, das in den Fettzellen gebildet wird. Ein niedriger Spiegel von Adiponektin erhöht das Risiko von Diabetes mellitus und führt zu Gefäßschäden.

Wissenschaftler aus Mexiko untersuchten in einer 3T3-L1-Zellkultur die mRNA-Expression verschiedener Metabolite.

Bei der 3T3-L1-Zellkultur handelt es sich um Vorläuferzellen von Fettzellen, die dann zur Zelldifferenzierung gebracht werden. Einem Teil der Zellkulturen wurde Glycin beigesetzt. Es zeigte sich, dass bei den Zellkulturen mit Glycin die Expression von Interleukin-6, Resistin und TNF-Alpha vermindert war - Adiponektin und PPAR-Gamma waren hingegen hochreguliert. Aus diesem Ergebnis kann man schließen, dass Glycin offensichtlich das Expressionsmuster von Fettzellen günstig beeinflussen kann. (7)

In einer weiteren Studie aus Mexiko wurde untersucht, ob und in welchem Umfang Glycin bei Typ-2-Diabetikern zu einer Veränderung von Entzündungsmakern führt. An der Studie nahmen 74 Patienten mit Typ-2-Diabetes teil. Jeweils die Hälfte der Gruppe erhielt 5 g Glycin täglich oder ein Placebopräparat über einen Zeitraum von drei Monaten. Nach drei Monaten waren die Konzentrationen von HbA1c in der Glycingruppe signifikant niedriger als in der Placebogruppe. Auch die Konzentrationen des TNF-Rezeptor-1 waren in der Glycingruppe signifikant vermindert. In der Glycingruppe kam es zu einem Anstieg des Interferon-Gamma-Spiegels um 43 Prozent, in der Placebogruppe um 38 Prozent. Autoren der Studie schlossen daraus, dass die Behandlung mit Glycin wahrscheinlich einen vorteilhaften Effekt auf das angeborene und auch auf das erworbene Immunsystem hat, und dass Glycin Gewebeschäden durch chronische Entzündung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes verhindern kann. (8)

 

Histidin

Histidin gehört zu den semiessentiellen Aminosäuren. Es ist schon länger bekannt, dass die körpereigene Histidinbildung bei der chronischen Niereninsuffizienz (CNI) beeinträchtigt ist. Wissenschaftler des schwedischen Karolinska-Instituts untersuchten bei 325 CNI-Patienten die Folgen eines Histidindefizits im Plasma. Es zeigte sich, dass verschiedene Begleiterkrankungen bei den CNI-Patienten den Histidinmangel verstärkten und zwar kardiovaskuläre Erkrankungen, arteriosklerotische Plaques, Entzündungen und Protein-Energie-Wasting. Die Plasma-Histidin-Konzentration war negativ assoziiert mit dem Lebensalter, der Konzentrationen von CRP, Interleukin-6, Leukozyten und zahlreichen anderen Laborparametern. Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, dass bei CNI-Patienten niedrige Histidin-Plasmakonzentrationen mit einem verstärkten Proteinabbau, Entzündungen, oxidativem Stress und einer höheren Sterblichkeit verbunden sind. (9)

Ein Histidinmangel wurde auch häufig bei älteren Patienten nachgewiesen, die an Wundheilungsstörungen litten. Neben Histidin war bei diesen Patienten häufig auch Tryptophan im Defizit. Bei älteren Patienten mit entsprechenden Symptomen wie verzögerte Wundheilung und Dekubitus sollten also unbedingt auf etwaige Mikronährstoffdefizite geachtet werden, so das Fazit einer Studie des Balmain Hospital, Australien, die im Februar 2009 veröffentlicht wurde. (10)

 

Lysin

In der Zeitschrift „Biomedical Research“ wurde 2007 eine Untersuchung japanischer Wissenschaftler über den Effekt einer Lysin-Arginin-Supplementierung auf Ängstlichkeit und Stressantwort publiziert. Lysin ist zwar keine Neurotransmittervorstufe, wirkt aber als partieller Antagonist an Serotonin-4-Rezeptoren und als partieller Benzodiazepin-Agonist. An der Studie nahmen 108 gesunde Probanden teil, die eine Woche lang entweder ein Placebopräparat oder 2,64 g Lysin und 2,64 g Arginin erhielten. Die Ängstlichkeit wurde anhand eines standardisierten Fragebogens erfasst. Zur Beurteilung der Stressanwort wurden die basalen Speichelkonzentrationen von Cortisol und Chromagranin-A bestimmt. Cortisol ist bekanntlich ein Marker für die HPA-Achse, Chromagranin A ist ein lösliches Protein, das den Sympathikustonus und die Stressantwort des Sympathikus widerspiegelt.

Nach einer Woche zeigte sich in der Verumgruppe eine deutliche Besserung der Ängstlichkeit-Scores, bei den männlichen Studienteilnehmern bewirkt die Supplementierung von Lysin und Arginin eine Abnahme der basalen Cortisol- und Chromagranin-A-Konzentrationen. Diese Resultate zeigen, dass eine Kombination aus Lysin und Arginin eine nützliche diätetische Maßnahme zur Verminderung von mentalem Stress und Ängstlichkeit ist. (11)

 

Ornithin

Japanische Forscher untersuchten, inwieweit eine Verabreichung von Ornithin einen Einfluss auf körperliche Müdigkeit hatte. Dabei erhielten 17 gesunde Versuchspersonen entweder zwei Gramm Ornithin sieben Tage lang und sechs Gramm Ornithin am achten Tag oder ein entsprechendes Placebopräparat. Anschließend wurde ein physisch anstrengendes Fahrradergometertraining durchgeführt. Bei den Probanden, die Ornithin erhalten hatten, war das Müdigkeitsgefühl signifikant niedriger als bei den Probanden mit dem Placebopräparat. Außerdem zeigte sich bei den weiblichen Versuchspersonen eine höhere körperliche Leistungsfähigkeit auf dem Fahrradergometer. Die Ergebnisse der Studie lassen vermuten, dass Ornithin den Energiestoffwechsel verbessert und die Ausscheidung von Ammoniak erhöht. (12)

Im Januar 2009 wurde eine Metaanylse über den Stellenwert einer Ornithinaspartat-Therapie zur Vorbeugung cerebraler Komplikationen bei Lebererkrankungen publiziert. Patienten mit hepatischer Enzephalopathie Stadien 1 und 2 profitieren eindeutig von dieser Therapie, wohingegen die Gabe von Ornithinaspartat bei subklinischer hepatischer Enzephalopathie keine nachweisbare Wirkungen hatte. (13)

 

Verzweigtkettige Aminosäuren

Die verzweigtkettigen Aminosäuren Isoleucin, Leucin und Valin (BCAAs) sind von zentraler Bedeutung für den Muskelstoffwechsel und für die Muskelproteinsynthese. In einer kleinen Studie der Sacred Heart University, Fairfild, konnte bei 9 untrainierten Männern nachgewiesen werden, dass eine BCAA-Supplementierung Muskelschäden nach einem Ausdauertraining verminderte. Wissenschaftler der Universität von Texas untersuchten an 16 männlichen Probanden den Effekt einer Kohlenhydrat-Aminosäuren-Kombination auf den Muskelstoffwechsel. Bei den Aminosäuren handelte es sich um essentielle Aminosäuren, die speziell mit Leucin angereichert waren. Die Einnahme dieser Nährstoffe nach einem Krafttraining erhöhte den mTOR-Signalweg, der eine maßgebliche Rolle für eine Steigerung der Muskelproteinsynthes spielt. (14, 15)

 

 

Referenzen:
  1. Schwedhelm E et al.: Pharmacokinetic and pharmacodynamic properties of oral L-citrulline and L-arginine: impact on nitric oxide metabolism; Br J Clin Pharmacol. 2008 Jan; 65(1): 51-9
  2. Moinard C et al.: Dose-ranging effects of citrulline administration on plasma amino acids and hormonal patterns in healthy subjects: the Citrudose pharmacokinetic study; Br. J. Nutr. 2008 Apr; 99(4): 855-62
  3. Le Bacquer O et al.: Acute depletion of plasma glutamine increases leucine oxidation in prednisone-treated humans; Clin Nutr. 2007 Apr; 26(2):231-8
  4. Thibault R et al.: Corticosteroids increase glutamine utilization in human splanchnic bed; AM J Physiol Gastrointest Liver Physiol. 2008 Feb; 294(2): G548-53.
  5. Agostini F et al.: Physical inactivity decreases whole body glutamine turnover independently from changes in proteolysis; J Physiol. 2008 Oct 1; 586 (PT 19): 4775-81
  6. Zai H et al.: Monosodium L-glutamate added to a high-energy, high-protein liquid diet promotes gastric emptying; Am J clin Nutr. 2009 Jan; 89(1): 431-5
  7. Garcia-Macedo R et al.: Glycine increases mRNA adiponectin and diminishes pro-inflammatory adipokines expression in 3T3-L1 cells; Eur J Pharmacol. 2008; Jun 10; 587(1-3): 317-21
  8. Cruz M et al.: Glycine treatment decreases proinflammatory cytokines and increases interferon-gamma in patients with type 2 diabetes; J Endocrinol Invest; 2008 Aug; 31(8): 694-9
  9. Watanabe M et al.: Consequences of low plasma histidine in chronic kidney disease patients: associations with inflammation, oxidative stress and mortality; Am J Clin Nutr. 2008 Jun; 87(6): 1860-6
  10. Dawson B, Favaloro EJ: High rate of deficiency in the amino acids tryptophan and histidine in people with wounds: implication for nutrient targeting in wound management - a pilot study: Adv Skin Wound Care; 2009 Feb; 22(2): 79-82
  11. Smriga et al.: Oral treatment with L-lysine and L-arginine reduces anxiety and basal cortisol levels in healthy humans; Biomed Res. 2007 Apr; 28(2): 85-90
  12. Sugino T et al.: L-ornithine supplementation attenuates physical fatique in healthy volunteers by modulating lipid and amino acid metabolism; Nutr. Res . 2008 Nov; 28(11): 734-43
  13. Jiang Q et al.: L-ornithine-L-aspartate in the management of hepatic encephalopathy: A meta-analysis; J Gastroenterol Hepatol. 2009 Jan; 24(1): 9-14
  14. Greer BK: Branched-chain amino acid supplementation and indicators of muscle damage after endurance exercise; Int J Sport Nutr. Exerc Metab. 2007 Dec; 17(6): 595-607
  15. Dreyer HC et al.: Leucine-enriched essential amino acid and carbohydrate ingestion following resistance exercise enhances mTOR signaling and protein synthesis in human muscle; Am J Physiol Endocrinol Metab. 2008 Feb; 294(2): E 392-400

Autor:
Dr. med. Hans-Günter Kugler ©, Mai 2009