ADHS und Schwermetallbelastungen

Der Einfluss von Blei und Quecksilber auf die ADHS-Symptomatik

 

ADHS ist die am häufigsten auftretende psychiatrische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Die Wirkung von Umweltgiften hinsichtlich der Entstehung von ADHS wurde bislang kaum berücksichtigt. Das bemängelte jetzt der Wissenschaftler Ulf Sauerbrey von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Theorie der Sozialpädagogik).

Sauerbrey hat mehr als 50 Studien aus den Jahren 1979 bis 2009 über den Einfluss von Umweltgiften bei Kindern ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass Umweltgifte die Entwicklung von ADHS in hohem Maße fördern. Zu den Umweltgiften gehören neben polychlorierten Biphenylen und Pestiziden insbesondere auch Schwermetalle wie Blei und Quecksilber.

Quecksilber ist das giftigste nicht radioaktive Element, das Nerven und Nieren schädigt. Als anorganisches oder als metallisches Quecksilber wurde es früher häufig für Amalgamfüllungen kariöser Zähne verwendet. Kleine stetig vom Organismus aufgenommene Mengen lagern sich bevorzugt im Nervensystem ab. Werdende Mütter mit Amalgamfüllungen können Quecksilber über die Plazenta an das werdende Kind abgeben. Eine weitere Quelle ist quecksilberhaltiger Fisch, der in den heutigen Weltmeeren sehr verbreitet ist. Im Fisch mit seinen fetthaltigen Strukturen speichert sich das so genannte Methylquecksilber sehr gut. Methylquecksilber ist hoch giftig - bereits niedrige Konzentrationen wurden von Wissenschaftlern mit Aufmerksamkeitsstörungen und Störungen des Wortgedächtnisses und der Feinmotorik in Zusammenhang gebracht. Chinesische Forscher verglichen die Quecksilberwerte von 52 Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, die an einer ADHS-Symptomatik litten, mit 59 gesunden Kindern und Jugendlichen. Die ADHS-Gruppe zeigte mit Werten von 15 µg/ l signifikant höhere Quecksilberwerte als die Kontrollgruppe.

Blei ist ebenfalls ein schweres Nervengift. Es schädigt u.a. die Blutbildung und die Nieren. Blei kann insbesondere bei Kindern zu psychomotorischen Störungen und zu einer Verminderung des Intelligenzquotienten und der Gedächtnisleistung führen. Heute ist die Umweltbelastung mit Blei im Vergleich zu der Zeit, in der dieser Stoff noch dem Treibstoff zugesetzt wurde, zwar wesentlich geringer, dennoch ist die Gefahr, die von diesem Schwermetall ausgeht, keinesfalls gebannt. Nach Aussage von Sauerbrey bestanden 2005 noch 30 Prozent der Berliner Wasserleitungen aus Blei, und er betont, dass Kinder, die in Industriestandorten wie z.B. dem Ruhrgebiet aufwachsen, Bleiexpositionen ausgesetzt sind, die durchaus gesundheitsschädlich sein können.

Stetig kleine Bleimengen können z.B. auch über kunststoffhaltiges Spielzeug aufgenommen werden; größere Mengen auch, wenn Kinder bleihaltige Erde oder bleihaltigen Sand verschlucken. Leider ist bislang auch unter den Ärzten die Tatsache noch wenig bekannt, dass bereits geringe Mengen Blei schädlich sind:

Ein Amerikanisches Forscherteam unter der Leitung von Joel T. Nigg untersuchten bei 236 Kindern und Jugendlichen den Zusammenhang zwischen der Bleivollblutkonzentration und der ADS-Symptomatik. Die durchschnittlichen Konzentrationen lagen bei 7,3 µg/ l, die Maximalwerte bei 22 µg/ l. Es handelte sich also um außerordentlich niedrige Bleikonzentrationen, die geringer waren als die in den USA und Europa üblichen Durchschnittswerte. Der Blei-Grenzwert nach der Kommission „Human-Biomonitoring“ liegt bei Kindern zwischen 6 und 12 Jahren bei 50 µg/ l.

Die Bleikonzentrationen im Blut der untersuchten Kinder und Jugendlichen waren mit der ADHS-Symptomatik vom „Mischtypus“ assoziiert, nicht aber mit dem „vorwiegend unaufmerksamen Typ“. Eltern- und Lehrerreports bestätigten den Zusammenhang zwischen der Bleikonzentration und den ADHS-Symptomen. Die Studie zeigt, dass sogar sehr niedrige Bleikonzentrationen mit der ADS-Symptomatik assoziiert sind. In dieser Studie wurden die bisher niedrigsten Bleikonzentrationen in Relation zur ADS-Symptomatik gemessen. Das Ergebnis könnte natürlich eine erhebliche Relevanz haben, da eine niedrige Bleibelastung weit verbreitet ist. Eine Bleibelastung ist auch ein plausibler neurobiologischer Erklärungsfaktor für die Entstehung von ADHS, weil Blei den Kreislauf von Dopamin und anderen Neurotransmittern im Gehirn stört.

In einem ganzheitlichen Diagnose- und Therapieansatz sollte bei ADS/ ADHS neben einem Mikronährstoffmangel auch eine Belastung mit Schwermetallen in Betracht gezogen werden. Der erste Schritt hierzu wäre eine genaue Blutuntersuchung, um dann ggf. die Schwermetalle zur Ausleitung zu bringen.

 

Referenz:
  • Dpa, 21.06.2010
  • Joel T. Nigg, Ph. D., et al.: Confirmation and extension of association of blood lead with attention-deficit/ hyperactivity disorder (ADHD) and ADHD symptom domains at population-typical exposure levels; J Cild Psychol Psychiatry. 2010 January; 51(1): 58-65
  • Ulf Sauerbrey: ADHS durch Umweltgifte? Edition Paideia, 2010